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ist, zu einem praktisch brauchbaren Resultat zu gelangen.!) Deshalb entspricht
es jedenfalls dem praktischen Zweck der vorliegenden Arbeit und insbesondere
dem ihr gebotenen Umfang: bei der Darstellung der Vorsatzlehre „vom nega-
tiven Standpunkt“ aus, d. i. der Irrtumslehre,o) zunächst von der Grund-
anschauung des RG. auszugehen.
II. Als bedeutsamste Frage für die Anwendung der reichsgerichtlichen
Frrtumsgrundsätze auf die Kriegswuchergesetze mußte sich von vornherein die
Frage entgegenstellen: wo hört das Strafgesetz auf und wo beginnt der außer-
strafrechtliche Rechtssatz? Die eigenartige Gesetzestechnik, die bei den Kriegs-
wuchergesetzen wie bei den meisten Kriegsstrafgesetzen befolgt ist, ließ diese
Frage ohne weiteres aufwerfen.
1. a) Wir begegnen in den Kriegswucherbestimmungen Strafsatzungen, die
zur Ausfüllung ihrer Bestandteile auf formell außerstrafrechtliche Bestimmungen
desselben Gesetzes verweisen. So nehmen z. B. die Ziffern 3 und 4 des § 6
Höchst Pr G. Bezug auf die in den §§ 2 und 3 bzw. 4 Höchst Pr G. beschriebenen
Vorgänge einer Aufforderung zur Überlassung bzw. zum Verkauf.o)
b) Wir begegnen in einer anderen Kriegswucherbestimmung einer Straf-
satzung, die zur Ausfüllung eines ihrer Bestandteile ebenfalls zunächst auf
formell außerstrafrechtliche Bestimmungen des Gesetzes verweist, des weiteren
aber auf Vorschriften, die sogar außerhalb des Gesetzes liegen, und die erst
wieder von anderen staatlichen Organen zu erlassen sind. Das ist der Fall bei
der Ziffer 6 desselben Paragraphen, der Bezug nimmt auf die nach § 5
Höchst Pr G. erlassenen Ausführungsbestimmungen.10) Hier findet also eine
doppelte Verweisung statt: unmittelbar auf eine andere Vorschrift desselben
Gesetzes, mittelbar auf eine auf Grund dieser anderen Vorschrift geschaffene
7) Dies geben auch einzelne der schärfsten Gegner des RG. ausdrücklich zu.
So neuerdings wieder M. E. Mayer, Der allgemeine Teil des Strafrechts,
S. 326, der dabei bemerkt, daß die Begründung der reichsgerichtlichen Entschei-
dungen „in allen problematischen Fällen nur das Kleid sei, das den wirklich maß-
gebenden Erwägungen angezogen sei“.
8) Diese treffende Bezeichnung gibt der Irrtumslehre Frank zu § 59
sub VII. Der Kernpunkt der Dinge kommt in dieser Formulierung deshalb besonders
glücklich zum Ausdruck, weil der Irrtum lediglich das Moment ist, aus dem her-
vorgeht, daß die zum Vorsatz erforderliche Vorstellung fehlte. Denn der Irrtum
kommt bei der Frage, ob der Täter mit Vorsatz gehandelt hat, nicht etwa als ein
entschuldigendes Moment in Betracht, weshalb die Ubung, „von einem
entschuldbaren Irrtum“ zu sprechen, leicht irreführt.
) Daß auch die Vorschrift der Ziffer 1 des § 6 Höchst Pr G. (Überschreitung
von nach § 1 festgesetzten Höchstpreisen) hierher gehört, kann erst durch die folgenden
Erörterungen klargelegt werden.
10) Die Landeszentralbehörden erlassen diese Ausführungsbestimmungen als
eigene von ihnen ausgehende Normen. So für die auf Grund des Vieh-
seuchengesetzes erlassenen Anordnungen der Landesbehörden, IV. Senat vom
30. Dezember 1912, Entsch. Bd. 46 S. 393 auf S. 395. A. M.: Binding,