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verletzung voraussehbar gewesen sein. Wird ein Gegenstand, der früher nie
zum täglichen Bedarf gedient hat, infolge neuer, nur wenigen Eingeweihten
bekannten Verwendungsmöglichkeiten als Ersatz anderer fehlender- Bedarfsartikel.
gebraucht, so kann man nicht jedem diesen Gegenstand zum Verkauf bringenden.
Menschen einen fahrlässigen Preiswucher zur Last legen, wenn er sich bei der
Kalkulation des Verkaufspreises nicht die durch die Preissteig LO. gebotene
Beschränkung auferlegt hat. Liefert ein Grossist einem vertrauenswürdigen
Detaillisten Lebensmittel und überläßt dieser sie nicht den Verbrauchern, sondern.
veräußert sie in kettenhändlerischer Weise weiter, so kann der Grossist nur dann
als fahrlässiges Glied dieser Kette angesehen werden, wenn besondere Umstände.
vorlagen, die ihn das Vorhaben seines Abnehmers erkennen lassen mußten.
II. 1. Der vorbeugend-polizeiliche Charakter der Kriegswucherdelikte, der,
wie wir sahen, zur Einbeziehung der Fahrlässigkeit in das strafbare Verschulden.
führt, erhöht zugleich auch das Maß der von dem einzelnen zu erfüllenden
Sorgfaltspflicht. Die Pflicht, Störungen der guten Ordnung.
des Gemeinwesens zu vermeiden, ist, wie Otto Mayer)) treffend-
bemerkt, sehr anspruchsvoll und folglich leicht zu verletzen. Beim Vorliegen
eines objektiven Tatbestandes, der hätte vermieden werden können, ist deshalb
eine Pflichtverletzung dessen, auf den dieser Tatbestand zurückzuführen ist, und
damit ein zur Strafbarkeit genügendes Verschulden verhältnismäßig sehr leicht
gegeben.3) Ganz besonders in Kriegszeiten. Auch das Bayerische Oberste Landes-
gericht, das Rückficht auf die durch die Ausnahmeverhältnisse des Kriegs-
zustandes noch reichlicher als früher fließende Gesetzgebung den Satz error.
zuris nocet von vornherein für das Kriegsstrafrecht aufgegeben hat, wollte
damit, wie die Begründung seiner Urteile zeigt, die Anforderungen, welche die-
Kriegszeit an den einzelnen stellt, keineswegs herabsetzen. Vielmehr hat zwischen
dem RG. und dem Bayerischen Obersten Landesgericht Ubereinstimmung dahin-
gehend bestanden, daß der Ausnahmezustand des Krieges an die im Verkehr zu
übende pflichtgemäße Sorgfalt und Umsicht des einzelnen im Interesse der All-
gemeinheit außergewöhnliche Anforderungen stellt.“)
Insbesondere hat das für den Gewerbetreibenden zu gelten-
Will er seine Gewerbepflicht sorgfältig und gewissenhaft erfüllen, so ist er ge-
nötigt, sich darüber auf dem laufenden zu halten, ob und welche Höchstpreise-
für seine Waren, insbesondere soweit sie zu den Gegenständen des täglichen.
Bedarfs gehören, festgesetzt sind.)) Wo ihm Zweifel auftauchen, wird mam von
ihm verlangen dürfen, daß er sich an zuständiger Stelle Aufschluß verschafft.52),
2) Deutsches Verwaltungsrecht, 2. Aufl. (1914), I. S. 279.
8) S. Mayer a. a. O.
4) Verschiedene Urteile des RG. betonen ausdrücklich die „Anforderungen,
welche die gegenwärtige Zeit“ stellt. S. z. B. das Urteil des V. Senats vom
12. Oktober 1915 in Dötrafr Z. 1915 S. 501.
5) S. Urteil des I. Senats vom 14. Juni 1915, JW. 1915 S. 1443 sub b..
5a) Daß, soweit die Auslegung einer Vorschrift in Frage steht, der berufene
Rechtskundige, insbesondere ein Rechtsanwalt, als die zuständige Stelle angesehen.