Full text: Kriegswucherstrafrecht.

132 
  
und die ihnen entsprechenden Sätze der einzelnen Strafe durchgehen. Gegenüber 
Tatbeständen, die als entehrend angesehen werden, und für die deshalb auch 
die schärfsten Strafen vorgesehen sind, wäre eine solche Praxis nicht am Platze. 
Welches Maß von Sorgfalt von dem einzelnen zu erfordern ist, bestimmt 
sich, da die Rechtsordnung darüber nichts Besonderes sagt, nach den auf der 
Erfahrung beruhenden Anschauungen, entsprechend den Gepflogenheiten des Lebens, 
wobei allerdings nicht einseitige Gepflogenheiten eines Teils der Verkehrs- 
beteiligten, sondern die allgemeinen Anforderungen des Verkehrs maß- 
gebend sind.) 
Nach dem Gesagten sind denn auch der Erkundigungspflicht 
des Gewerbetreibenden die entsprechenden Grenzen zu ziehen. Es geht ins- 
besondere nicht an, ihn für verpflichtet zu halten, täglich die Zeitung nach 
amtlichen Anordnungen zu durchsuchen. 10) Deshalb darf man auch nicht einem 
Gewerbetreibenden, der eine bestimmte Anordnung nicht kennt, schon wegen 
dieser Unkenntnis Fahrlässigkeit zur Last legen. Insbesondere sind bei einer 
objektiv gegebenen Höchstpreisüberschreitung stets die Verhältnisse zu beachten, 
unter denen die Höchstpreisfestsetzung erfolgte. Hat ein Kaufmann sich 
etwa gleichbleibend in derselben hinreichend vorsichtigen Weise Kenntnis von 
Höchstpreisfestsetzungen verschafft, und versagt einmal diese Methode, weil aus- 
nahmsweise die Behörde einen ganz neuen Weg eingeschlagen hat, um Höchst- 
preise bekanntzugeben, so wird die Feststellung eines Verschuldens des Gewerbe- 
treibenden kaum angängig sein. u) 
  
nicht schwer, die nötige Formel zu finden. Besonders wenn man es für zulässig 
hält, von dem Beschuldigten zu verlangen, daß er alles geleistet habe, was nach 
Lage der Umstände „überhaupt nur möglich“ war. Einer solchen Wendung be- 
gegnet man z. B. in einem Urteil des I. Senats des KG. vom 6. April 1915 in 
D"JB. 1915 S. 701 sub 31. Gegen die UÜberspannung der Sorgfaltspflicht wendet 
sich scharf Kohler, Goltd Arch. 62 S. 244: „Vom Menschen göttliche Unfehlbar- 
keit zu erlangen, das geht sicher zu weit; dahin führt es aber, wenn man bei 
jedem Versehen gleich eine Fahrlässigkeit annimmt.“ 
9) Darüber, daß das Recht keine Unsitte zu berücksichtigen hat, welche den 
durch die allgemeinen Verkehrsrücksichten auferlegten Pflichten zuwiderläuft, siehe 
insbesondere I. Senat vom 3. Mai 1906, Entsch. Bd. 39 S. 2. 
10) Stehe Urteil des k Senats vom 26. Juni 1916, Säch'f Arch. 1916 S. 474. 
11) Siehe die Fälle der Urteile des I. Senats vom 12. Juni 1915, JW. 1915 
S. 1202 sub 2 = Recht 1915 Nr. 856, und des IV. Senats vom 29. Oktober 1915, 
Sächs Arch. 1916 S. 34. In dem erstzit. Urteil hat das RG. es als eine erhebliche 
Überspannung der an den Gewerbetreibenden zu stellenden Anforderungen be- 
zeichnet, wenn von ihm verlangt wird, daß er jede Nummer des. Rl. einsieht, 
um sich zu unterrichten, ob dort bundesrätliche Höchstpreisfestsetzungen veröffentlicht 
sind, zumal dann, wenn er sich nach der ihm bekannten Übung der örtlichen Ver- 
waltungsstellen im allgemeinen darauf verlassen kann, daß von diesen für die sach- 
gemäße und rechtzeitige Bekanntmachung aller solcher Anordnungen, sowohl der 
vom Bundesrat wie der von den staatlichen Verwaltungsstellen ausgehenden, S orge 
getragen wird.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.