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sprechung des RG. kein Bedenken, mehrere fahrlässige Unterlassungen
als eine strafbare Handlung aufzufassen, indem man die fahrlässige Aufrecht-
erhaltung eines rechtswidrigen Zustandes als eine fortdauernde Verfehlung
ansieht.') So bietet sich jedenfalls in manchen Fällen die Möglichkeit, einem
Gewerbetreibenden, in dessen Geschäft von den Angestellten mehrfach Höchst-
preise in Unkenntnis ihres Bestehens überschritten worden sind, ein einheit-
liches Vergehen zur Last zu legen. Man braucht zu diesem Zweck nur den
strafrechtlichen Charakter seines Verhaltens als einer fahrlässigen Dauer-
unterlassung daraus herzuleiten, daß er es während der ganzen in Betracht
kommenden Zeit fahrlässigerweise unterlassen habe, hiergegen einzuschreiten
oder daß von ihm dauernd verabsäumt sei, sich bei der zuständigen Behörde
nach den festgesetzten Höchstpreisen zu erkundigen.s)
Wo ein fortgesetztes Kriegswucherdelikt angenommen ist, werden ducch
das Urteil in der Regel sämtliche Verfehlungen der von der Anklage be-
zeichneten Art erledigt, die vor dem Zeitpunkt der Aburteilung des Täters
liegen. Unumgänglich notwendig ist dies indes keineswegs. Folgt man dem
NG. in der scharfen Betonung der Einheitlichkeit des Vorsatzes als des das
fortgesetzte Delikt hauptsächlich zusammenhaltenden Moments, so ist es
natürlich auch möglich, eine Unterbrechung dieser Einheit in Vorgängen zu
finden, die vor der Aburteilung liegen. Dementsprechend hat ein Urteil des
I. Senats vom 14. Juni 1915) die polizeiliche Vernehmung in dem Straf-
verfahren als eine Hemmungsvorstellung angesehen, die vor Begehung weiterer
S. 269. Frank a. a. O., der, wie bereits gesagt, mit dem RG. Einheitlichkeit des
Vorsatzes für das fortgesetzte Delikt verlangt, polemisiert a. a. O. gegen diejenigen
Schriftsteller, die ein fortgesetztes fahrlässiges Delikt leugnen, dabei übersehend,
daß das RG. auf dem gleichen Standpunkt steht.
7) Die Möglichkeit eines so begangenen fahrlässigen Dauervergehens wird
von der in der vorigen Anmerkung zit. Entscheidung Bd. 41 S. 98 auf S. 102 in
einem Satz gestreift.
S) Ein zu Unrecht angenommenes einheitliches fortgesetztes Vergehen ist im
allgemeinen dem Angeklagten nicht nachteilig, so daß er auf diesen Rechtsirrtum in
der Regel nicht mit Erfolg eine Anfechtung des Urteils im Wege der Revision
gründen kann. Indes ist zu beachten, daß die Annahme eines fortgesetzten Ver-
gehens dem Gericht häufig dazu dient, Fälle in die Aburteilung miteinzubeziehen,
die nicht schon vom Eröffnungsbeschluß erfaßt waren, wenn dieser von einer Mehr-
heit selbständiger Handkungen ausging. In diesem Falle ist der Angeklagte be-
schwert, falls nicht ausdrücklich entsprechend der Vorschrift des § 265 St PO. mit
seiner Zustimmung in der Hauptverhandlung auf Antrag des Staatsanwalts eine
Anklageerweiterung stattgefunden hat.
)In JW. 1915 S. 1203 Nr. 2 auf S. 1204. Ein Urteil desselben Senats
vom 15. Dezember 1902, Entsch. Bd. 36 S. 42 auf S. 44 hatte bereits der Er-
öffnung des Strafverfahrens, der Zustellung der Anklageschrift oder des Eröffnungs-
beschlusses oder der Ladung zur Hauptverhandlung die mögliche Wirkung einer
Unterbrechung des Vorsatzes beigelegt.