141
1. Denkbar ist, daß die Beiseiteschaffung eines von einer Aufforderung
zur Uberlassung betroffenen Gegenstandes (8 6 Ziffer 3 Höchst Pr G.) zugleich
einen Verstrickungsbruch im Sinne des § 137 StE#B. darstellt.
Eine Beschlagnahme gemäß § 137 StGGB. wird nämlich unter Umständen
schon in einer in den amtlichen Blättern veröffentlichten Anordnung der
zuständigen Behörde gefunden werden können. Das zu einer „Verstrickung“
im Sinne des § 137 StG#. erforderliche Herrschaftsverhältnis der öffent-
lichen Gewalt, wodurch dem von ihr Betroffenen seine private Verfügungs-
gewalt entzogen wird, bedarf nicht zu seiner Begründung eines Aktes der
staatlichen Autorität, der sich in einer Besitzergreifung äußern
müßte.:)
2. In Frage kommen kann auch die Konkurrenz eines Kriegswucher-
delikts mit einem Vertragsbruch, der dem Täter als Armee= oder Not-
standslieferant zur Last fällt, und der der Bestimmung des § 329 Sten B.
unterliegt. Nach dieser Vorschrift ist zu bestrafen, wer die mit einer Behörde
geschlossenen Lieferungsverträge über Bedürfnisse des Heeres oder der Marine
zur Zeit eines Krieges oder über Lebensmittel zur Abwendung oder Be-
seitigung eines Notstandes vorsätzlich entweder nicht zur bestimmten Zeit oder
nicht in der vorbedungenen Weise erfüllt. Jeder Unterlieferant, Vermittler
13) Daß dies die Auffassung des RG. ist, dürfte aus der Charakterisierung
dieses Delikts in dem Beschluß der vereinigten Strafsenate vom 8. März 1893,
Entsch. Bd. 24 S. 40 auf S. 52 zu entnehmen sein. Frank zu § 137 sub I
S. 265 verlangt im Zweifel Besitzergreifung. Dem ist zuzustimmen, wenn das
staatliche Machtverhältnis ohne eine tatsächliche Vollziehung des Imperativs
nicht erkennbar ist. Die Zustellung einer einstweiligen Verfügung braucht deshalb
mit dem II. Strafsenat des Kammergerichts vom 26. März 1909, Goltd Arch. Bd. 57
S. 231, nicht für ausreichend erachtet werden. Wenn dieses Urteil dagegen
schlechthin eine dingliche Beziehung zu der Sache verlangt, so geht das zu
weit. Die von ihm berufenen Entscheidungen des RG. (III. Senat vom 5. De-
zember 1889, Entsch. Bd. 20 S. 244 und IV. Senat vom 17. Februar 1893, Entsch.
Bd. 24 S. 10) fordern diese dingliche Beziehung denn auch keineswegs unbedingt.
Das letztzit. Urteil setzt vielmehr den Fall, daß ein Gewahrsam begründet ist, dem
gleich, daß die zuständige Behörde zu der Sache „sonstwie in ein Herrschafts-
Lerhältnis getreten ist“, a. a. O. S. 11, und auch das erstzit. Urteil läßt deutlich er-
kennen, a. a. O. S. 247, daß es keineswegs nur bei Begründung einer tatsächlichen
Beziehung zu den betreffenden Gegenständen die Voraussetzungen einer Verstrickung
gemäß § 137 St G. für gegeben erachtet. Auf diese beiden Urteile beruft sich auch
Binding, Lehrb. d. besonderen Teils II 2 S. 609 ff., der mit besonderer Energie
ein „tatsächliches Machtverhältnis“ des Staates fordert. Ein tatsächliches Macht-
verhältnis ist aber etwas ganz anderes als ein „symbolisches“, so daß, wenn
Binding a. a. O. S. 611 selbst zugeben muß, daß in dem Fall des § 22 Abs. 2
des Reichsgesetzes über die Zwangsversteigerung der Staat auf diese symbolische
Weise seine Hand auf die beschlagnahmten Gegenstände legt, das Begriffserfordernis
eines notwendig tatsächlichen Machtverhältnisses eigentlich schon von selbst auf-
gegeben wird.