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strafung aus dieser Vorschrift weist bereits hin die Denkschrift über wirtschaft—
liche Maßnahmen aus Anlaß des Krieges vom 23. November 1914,/5) wobei
sie besonders darauf aufmerksam macht, daß Gewerbsmäßigkeit nach der Recht-
sprechung des RG. auch schon in dem Abschluß eines einzigen Geschäfts.
gefunden werden kann, vorausgesetzt nur, daß der Täter die Absicht hat,
solche Geschäfte fortgesetzt, wenngleich nur bei günstiger Gelegenheit vorzu-
nehmen. Es scheint denn auch bei den Anklagebehörden eine ausgesprochene
Neigung vorhanden zu sein, die Strafbestimmung des § 302e St G., die
in der bisherigen Praxis eine auffallend bescheidene Rolle spielte, gegenüber
dem Kriegswucher in stärkerem Maße zur Anwendung zu bringen.16) Die
Konsequenzen für die Strafbemessung sind außerordentlich bedeutungsvoll.
Bei Anwendung des § 302e St GB. könnte überhaupt nur aus Gefängnis.
erkannt werden, und zwar auf nicht weniger als 3 Monate. Höchstmaß der
Freiheitsstrafe aus § 302e St G. wäre nicht nur 1 Jahr, sondern 5 Jahre
Gefängnis.7)
Es dürfte indes im allgemeinen die Anwendung des § 302e auf den
typischen Fall des Kriegswuchers der Preis Steig VO. erheblichen Bedenken
unterliegen. Die den Sachwucher ausmachenden wucherischen Geschäfts-
abschlüsse müssen zustande gekommen sein unter Ausbeutung der Notlage, des
Leichtsinns oder der Unerfahrenheit des Bewucherten. Schon diese Voraus-
setzungen sind beim Preiswucher meist nicht einwandfrei festzustellen.
Es ist zu beachten, daß das Gesetz sich nicht mit eicker Ausbeutung der
„Lage“ oder der „Verhältnisse“ des Bewucherten begnügt, daß es vielmehr
eine „Notlage“ verlangt. Damit ist deutlich zu erkennen gegeben, daß nicht
15) Drucksachen des Reichstags, 13. Legislaturperiode II. Session 1914 Nr. 26
S. 77. Es ist zu beachten, daß die Denkschrift zeitlich vor dem Erlaß der Preis-
Steig VO. liegt. Sie verhält sich dementsprechend auch nur zum Höchstpreisrecht,
speziell zu den durch den Bundesrat festgesetzten Höchstpreisen. Im Anschluß an die
Erörterungen der sich aus dem Abschluß eines wucherischen Geschäfts ergebenden
zivilrechtlichen Fragen bemerkt die Denkschrift, daß Erwägungen im Gange seien,
ob diese Vorschriften nicht während der Kriegszeit zu verschärfen wären. Den Ab-
schluß dieser Erwägungen dürfte die Preis Steig VO. darstellen.
16) Nach der Statistik sind in den Jahren 1902—1910 in Deutschland nur
16 Verurteilungen wegen Sachwuchers erfolgt. S. Ebermayer, Guruch Beitr.
Bd. 60 S. 200.
1) Auf mehr als 1 Jahr Gefängnis könnte aus § 5 Preis Steig VO. nur er-
kannt werden, wenn die Verwirklichung mehrerer selbständiger Preiswucher-
fälle, also nicht ein fortgesetztes Delikt angenommen würde. (Wegen des
fortgesetzten Delikts s. oben unter II.) Was die Geldstrafe angeht, so könnte sie auf
Grund des § 5 Preis Steig VO. allerdings unter Umständen noch höher bemessen
werden als auf Grund des § 302e StG. (s. unten Kapitel VI). Immerhin be-
trägt die höchst zulässige Geldstrafe nach § 302e StGB. 15°000 Aé. Auf Aberken-
nung der bürgerlichen Ehrenrechte kann nach beiden Strafbestimmungen erkaonnt
werden.