Full text: Kriegswucherstrafrecht.

143 
  
strafung aus dieser Vorschrift weist bereits hin die Denkschrift über wirtschaft— 
liche Maßnahmen aus Anlaß des Krieges vom 23. November 1914,/5) wobei 
sie besonders darauf aufmerksam macht, daß Gewerbsmäßigkeit nach der Recht- 
sprechung des RG. auch schon in dem Abschluß eines einzigen Geschäfts. 
gefunden werden kann, vorausgesetzt nur, daß der Täter die Absicht hat, 
solche Geschäfte fortgesetzt, wenngleich nur bei günstiger Gelegenheit vorzu- 
nehmen. Es scheint denn auch bei den Anklagebehörden eine ausgesprochene 
Neigung vorhanden zu sein, die Strafbestimmung des § 302e St G., die 
in der bisherigen Praxis eine auffallend bescheidene Rolle spielte, gegenüber 
dem Kriegswucher in stärkerem Maße zur Anwendung zu bringen.16) Die 
Konsequenzen für die Strafbemessung sind außerordentlich bedeutungsvoll. 
Bei Anwendung des § 302e St GB. könnte überhaupt nur aus Gefängnis. 
erkannt werden, und zwar auf nicht weniger als 3 Monate. Höchstmaß der 
Freiheitsstrafe aus § 302e St G. wäre nicht nur 1 Jahr, sondern 5 Jahre 
Gefängnis.7) 
Es dürfte indes im allgemeinen die Anwendung des § 302e auf den 
typischen Fall des Kriegswuchers der Preis Steig VO. erheblichen Bedenken 
unterliegen. Die den Sachwucher ausmachenden wucherischen Geschäfts- 
abschlüsse müssen zustande gekommen sein unter Ausbeutung der Notlage, des 
Leichtsinns oder der Unerfahrenheit des Bewucherten. Schon diese Voraus- 
setzungen sind beim Preiswucher meist nicht einwandfrei festzustellen. 
Es ist zu beachten, daß das Gesetz sich nicht mit eicker Ausbeutung der 
„Lage“ oder der „Verhältnisse“ des Bewucherten begnügt, daß es vielmehr 
eine „Notlage“ verlangt. Damit ist deutlich zu erkennen gegeben, daß nicht 
  
15) Drucksachen des Reichstags, 13. Legislaturperiode II. Session 1914 Nr. 26 
S. 77. Es ist zu beachten, daß die Denkschrift zeitlich vor dem Erlaß der Preis- 
Steig VO. liegt. Sie verhält sich dementsprechend auch nur zum Höchstpreisrecht, 
speziell zu den durch den Bundesrat festgesetzten Höchstpreisen. Im Anschluß an die 
Erörterungen der sich aus dem Abschluß eines wucherischen Geschäfts ergebenden 
zivilrechtlichen Fragen bemerkt die Denkschrift, daß Erwägungen im Gange seien, 
ob diese Vorschriften nicht während der Kriegszeit zu verschärfen wären. Den Ab- 
schluß dieser Erwägungen dürfte die Preis Steig VO. darstellen. 
16) Nach der Statistik sind in den Jahren 1902—1910 in Deutschland nur 
16 Verurteilungen wegen Sachwuchers erfolgt. S. Ebermayer, Guruch Beitr. 
Bd. 60 S. 200. 
1) Auf mehr als 1 Jahr Gefängnis könnte aus § 5 Preis Steig VO. nur er- 
kannt werden, wenn die Verwirklichung mehrerer selbständiger Preiswucher- 
fälle, also nicht ein fortgesetztes Delikt angenommen würde. (Wegen des 
fortgesetzten Delikts s. oben unter II.) Was die Geldstrafe angeht, so könnte sie auf 
Grund des § 5 Preis Steig VO. allerdings unter Umständen noch höher bemessen 
werden als auf Grund des § 302e StG. (s. unten Kapitel VI). Immerhin be- 
trägt die höchst zulässige Geldstrafe nach § 302e StGB. 15°000 Aé. Auf Aberken- 
nung der bürgerlichen Ehrenrechte kann nach beiden Strafbestimmungen erkaonnt 
werden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.