Full text: Kriegswucherstrafrecht.

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ist, durch ihre Unkenntnis.“s) Vielmehr liegen die Dinge meistens so, daß 
sie trotz hervorragender Kenntnisse auf dem in Frage kommenden Gebiet 
unter den bestehenden Verhältnissen zum Abschluß eines vorteilhaften 
Geschäfts außerstande ist. 
Des weiteren begegnet es aber auch erheblichen Bedenken, im Falle einer 
auf der Kriegswirtschaft beruhenden allgemeinen Preissteigerung das Tat- 
bestandsmerkmal des auffälligen Mißverhältnisses zwischen 
der Leistung des Verkäufers und dem von ihm bedungenen Vermögens- 
vorteil zu bejahen. Der durch den Krieg eingeengte Markt steigert den Wert 
der Ware. Ein im Vergleich zu den Friedensverhältnissen höherer Preis — 
mag er auch dem Verkäufer, der sich zeitig eingedeckt hat, einen ungewöhn- 
lichen Vorteil bringen — braucht mit Rücksicht auf den derzeitigen Wert der 
Ware kein auffälliges:) Mißverhältnis zwischen den beiderseitigen Leistungen 
zu begründen.5) 
Gelangt man so unter Würdigung der Hauptmerkmale des Sachwucher- 
delikts im wesentlichen zu seiner Ausschaltung für unser Fragegebiet, so 
wahrt man zugleich auch für das Delikt des Sachwuchers die Vorstellung, die 
auf Grund seiner historischen Entwicklung mit ihm verbunden ist. Diese 
historische Entwicklung weist den Sachwucher den Kredit wuchergeschäften 
zu, ) d. h. derjenigen Kategorie von Wuchergeschäften, bei denen die Leistung 
des einen im Vertrauen auf die gegebene Zusicherung späterer (künftiger) 
Gegenleistung des andern erfolgt.?") Diese Art des Wuchers stellt sich aber 
dadurch, daß sie den Bewucherten in eine dauernde Abhängigkeit von dem 
Wucherer bringt, im Verhältnis zum Bar wucher, bei dem das nicht der Fall 
ist, als eine derartig ökonomisch gefährlichere Form des Wuchers dar, daß 
manche Gesetze, wie z. B. das österreichische, den Tatbestand des Wuchers 
geradezu auf das „Kreditgeschäft“ abstellen.'s) Auch für unser künftiges 
Recht hat deshalb Richard Schmidt die Einschränkung des Wuchertat- 
  
23) Vgl. Finger a. a. O. S. 318. v. Liszt a. a. O. definiert entsprechend 
die Unerfahrenheit als „die allgemeine geschäftliche Unkenntnis (rusticitas)“, Ols- 
hausen zu § 302a sub 10c nennt sie eine „dem Menschen anhaftende Eigen- 
schaft, die auf einen Mangel an Geschäftskenntnis und Lebenserfahrung im all- 
gemeinen oder auf beschränkten Gebieten des menschlichen Wirkens beruht". 
*4) Besonders wenn man „auffällig“ in die Augen springen auffaßt. 
Binding, Lehrb. d. besonderen Teils I S. 458, versteht darunter ein „Mißver- 
hältnis, das sich jedem Kundigen als solches aufdrängt“. Aber auch, wenn man 
dieses Beiwort ziemlich farblos nimmt und nur verlangt, daß sich das Miß- 
verhältnis „in charakteristischer Weise“ kundtut (s. Olshausen zu § 302a 
Sub 9) ist an dem im Text vertretenen Standpunkt nichts zu ändern. 
25) S. Ebermayer a. a. O. S. 201. 
26) S. Richard Schmidt, Vergleichende Darstellung des deutschen und 
ausländischen Strafrechts, Besonderer Teil, VIII. S. 257. 
27) S. Richard Schmidt a. a. O. S. 255. 
23) S. Richard Schmidt a. a. O. S. 254. 
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