Full text: Kriegswucherstrafrecht.

18. 
  
der Schlußbestimmung zu Abschnitt 11 der Reichsverfassung finden die Vor- 
schriften des Gesetzes vom 4. Juni 1851 auf Bayern keine Anwendung. Indes 
ist für Bayern durch das Gesetz über den Kriegszustand vom 5. November 
1912 C-) die in Frage stehende Materie in gleicher Weise wie durch den § 9b 
Bel Zust G. geregelt (s. Artikel 4 Ziffer 2 Bayel Zust G.). 
Aus § 2 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch kann die Auf- 
hebung des Artikels 9 des Bel ,Zust G. nicht hergeleitet werden, da diese Be- 
stimmung nur während eines Ausnahmezustands verübte Handlungen bedroht 
und sich somit als eine „besondere“ Vorschrift im Sinne des § 2 EG#StG. 
darstellt.') Einer auf Grund des § 9b erlassenen Höchstpreisvorschrift kann 
auch nicht der Einwand entgegengesetzt werden, daß das Höchstpreisstrafrecht 
inzwischen durch Reichsgesetz geregelt sei. Es gibt keine gesetzliche Handhabe, 
um Bestrafungen auf Grund des § 9b des Gesetzes vom 4. Juni 1851 insoweit 
auszuschließen, als sich im Einzelfall durch die auf Grund dieser Bestimmung 
ergangene Verordnung ein strafrechtlicher Tatbestand ergibt, der bereits durch 
ein anderes Reichsgesetz geregelt ist. 
Unbedenklich wird aber auch anzunehmen sein, daß auf Grund des 8 9b 
Bel Zust G. der Erlaß von den Kriegswucher bekämpfenden Vorschriften er- 
folgen kann. Denn die Versorgung der Bevölkerung zu angemessenen Preisen, 
die, wie die Begründung zum HoöchstPr G. sagt, Zweck dieses Gesetzes ist, 
liegt zugleich im Interesse der öffentlichen Sicherheit. Die öffentliche Ruhe 
und Ordnung und damit zugleich auch die öffentliche Sicherheit würden not- 
wendig in Gefahr geraten, wenn es der Allgemeinheit unmöglich würde, zu 
erschwinglichen Preisen die notwendigen Lebensmittel zu erhalten. Deshalb 
ist der Militärbefehlshaber auf Grund des § 9b zum Erlaß von Höchstpreis- 
vorschriften und damit parallelgehenden Verboten legitimiert.) 
Nach der Auslegung, die der § 95 BelZust G. durch die Praxis erfahren 
hat, gehört zu den Erfordernissen eines auf Grund des § 9b erlassenen Ver- 
botes nicht der Hinweis auf das Interesse der öffentlichen Sicherheit. Es 
wird für genügend erachtet, wenn dieser Hinweis und die Zweckbestimmung 
des Verbots aus dem Zusammenhang der Anordnung und den Umständen 
zu entnehmen ist.) Immerhin wäre es, wenn in solchem Fall eine Bestrafung 
  
s) Das, weil es auf reichsverfassungsrechtlicher Grundlage beruht, als Landes- 
gesetz die rechtliche Bedeutung eines Reichsgesetzes hat. S. Urteile des Bayer. 
Obersten Landesgerichts vom 18. November 1915 in JW. 1916 S. 342 auf S. 344, 
und vom 10. Februar 1916 in JW. 1916 S. 501. 
7) S. Urteil des IV. Senats vom 12. März 1915, Entsch. Bd. 49 S. 114. 
8) S. Urteile des IV. Senats vom 7. Mai 1915 in Leipz Z. 1915 S. 815, 
des IV. Senats vom 14. Juli 1915 in JW. 1915 S. 1200, des I. Senats vom 
20. September 1915 in JW. 1916 S. 335 Nr. 6 auf S. 337, sowie des Baherischen 
Obersten Landesgerichts vom 18. November 1915 in JW. 1916 S. 342 auf S. 343. 
Dagegen Waldecker in einer eingehenden Fußnote zu der zit. Entsch, des 
I. Senats des RG. 
)Wgl. Urteil des IV. Senats vom 21. Mai 1915, Entsch. 49 S. 253 auf 256.
	        
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