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gesetzbuch bekannten (durch die Novelle von 1912 eingeführten) Begriff der
„Gegenstände des hauswirtschaftlichen Verbrauchs“ nähern, weil er eben alles
das umfaßt, was zur Lebenshaltung dient, ohne Rücksicht darauf, ob es dem
Körper einverleibt wird. Wie nahe verwandt so der Begriff der
„Gegenstände des täglichen Bedarfs“ dem Begriff der „Gegenstände des haus-
wirtschaftlichen Bedarfs“ sein mag: er erschöpft sich nicht in ihm. Ein Gegen-
stand, der der Fabrikationswirtschaft dienen soll, kann in gleicher Weise zu den
„Gegenständen des täglichen Bedarfs“ zählen wie ein Gegenstand, der zum
Verbrauch in der Haushaltung bestimmt ist. 5)
Indem das Gesetz den „täglichen“ Bedarf betont, bringt es zum
Ausdruck, daß der Gegenstand da, wo er gebraucht wird, nicht nur in Aus-
nahmefällen, sondern mit einer gewissen Regelmäßigkeit benötigt wird. „Täg-
lich“ ist keinesfalls wörtlich zu nehmen; ein Gegenstand, den man vielleicht
nur alle Monate oder in noch längeren Zwischenräumen verwertet, kann ebenso
zum täglichen Gebrauch gerechnet werden wie ein Gegenstand, der von dem,
der ihn benötigt, kaum aus der Hand gelegt zu werden pflegt. Das Gesetz
betont den täglichen „Bedarf“, nicht die tägliche „Anschaffung“.
Trotzdem hat es ersichtlich nur solche Gegenstände im Auge, für deren Be-
schaffung ein sich regelmäßig wiederholendes Bedürfnis vorhanden ist.
Bekleidungsgegenstände wird man daher wohl hierher zu rechnen haben,
nicht auch Möbel, da erfahrungsgemäß für den überwiegenden Teil der Be-
völkerung die Anschaffung von Möbeln nur eine einmalige Ausgabe bedeutet.5)
Sucht man danach nach einem grundlegenden Kriterium der
„Gegenstände des täglichen Bedarfs“, so muß sofort das Moment der
Unentbehrlichkeit in die Augen springen, wobei es sich nur darum
handeln kann, es einerseits nicht zu eng, andererseits nicht zu weit zu fassen.
Daß aber jedenfalls das Moment einer gewissen generellen Unentbehrlichkeit
zu betonen ist, ergibt sich nicht nur aus einer allgemeinen sinngemäßen Aus-
legung des Begriffs der „Gegenstände des täglichen Bedarfs"“, sondern speziell
auch daraus, daß dieser Begriff gerade von einem Wuchergesetz angewandt wird.
Nur in einer einzigen Form hat nämlich der Wucher sozialökonomische Be-
deutung, nämlich als die epidemische Bewucherung ganzer Volksklassen.)
5a) Daß nicht nur die Fertigfabrikate, sondern in gleicher Weise die zu ihrer
Herstellung dienenden Rohstoffe Gegenstände des täglichen Bedarfs sind, hat das
RG. ausgesprochen in dem Urteil des III. Senats vom 19. März 1917, E. 50
S. 285 auf S. 289 und des I. Senats vom 16. April 1917, E. 50 S. 298.
6) Das RG. hat denn auch stets Bekleidungsgegenstände als zweifellos hierher
gehörig angesehen, während ein (noch unveröffentlichtes) Urteil des I. Senats
vom 12. Oktober 1917 (1 D. 329/17) Möbel ausdrücklich ausschließt. Im Einzel-
falle mag die Grenzziehung zweifelhaft sein. Koffka, DJ3Z. 1917 S. 369,
scheidet Bekleidungsgegenstände aus. Nach der Meinung von Neukamp, „NRecht
und Wirtschaft“ 1917 S. 133, soll zum Begriff gehören, daß der Gegenstand durch
Gebrauch oder Verbrauch untergeht.
7) s. F. Oppenheimer, Theorie d. reinen u. pol. Okonomie, 1910, S. 284.