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Gerade der Kriegswuchergesetzgebung kann aber eine Verkennung dieser Wesensart
des Wuchers nicht untergelegt werden. Streben doch die verschiedenen Wucher-
verordnungen vor allem das Ziel an, das man kurz mit „durchhalten“ zu be-
zeichnen pflegt. Für die Erreichung dieses Zieles kommen aber nur Gegen-
stände in Betracht, die für die Versorgung der Allgemeinheit bestimmt
sind. Was darüber hinaus dazu dienen kann, einigen Wenigen das Leben durch
Befriedigung kostspieliger Luxusbedürfnisse angenehm zu machen, zählt nicht
hierher. Der „notwendige Lebensbedarf“ ist also mit den „Gegenständen des
täglichen Bedarfs“ gemeint. Dafür dürfte auch die Bundesratsverordnung
vom 25. September 1915 über die Errichtung von Preisprüfungsstellen (RG#l.
S. 607) sprechen. Denn diese Verordnung, die gerade die Hilfsmittel schaffen
will, um das Höchst Pr G. und die Preis Steig BVO. wirksam zur Anwendung zu
bringen, hat die Preisprüfungsstellen ausdrücklich geschaffen „zur Sicherung
von Unterlagen für die Preisregelungen der Gegenstände des not-
wendigen Lebensbedarfs und zur Untersuchung bei der Über-
wachung des Verkehrs mit diesen Gegenständen“. Nun ist gewiß unter dem
„notwendigen Lebensbedarf“ nicht nur jenes Mindestmaß zu verstehen, dessen
das einzelne Individuum bedarf, um überhaupt existieren zu können. Was zur
gewohnten Lebenshaltung weiterer Volkskreise gehört, wie der Genuß von
Bier und Tabak, ist zweifellos mit eingeschlossen.s) Sogar Gegenstände, die
in normalen Zeiten vornehmlich als entbehrliche Leckerbissen neben den täg-
lichen Nahrungsmitteln gelten, können hierher fallen, wenn sie mit Rücksicht auf
die Knappheit der sonstigen Lebensmittel in größerem Maße zur Volks-
ernährung herangezogen werden. Auch kann es keinen Unterschied machen,
ob der betreffende Gegenstand infolge der Höhe seines Preises nur in den
Kreisen der Bemittelten Absatz findet — vorausgesetzt, daß er das „tägliche"
Bedürfnis dieser Kreise zu befriedigen bestimmt ist. Was aber lediglich
einem spezifischen Luxusbedürfnis dienen soll, ist keinesfalls
hierher zu zählen: also jedenfalls nicht teure Importen, Champagner und
Liköre. Kaum auch Kaviar und Austern, wenngleich hier mit Rücksicht auf den
anerkannt hohen Nährwert dieser Lebensmittel die Entscheidung je nach Lage
des Falls zweifelhaft sein mag. Wahllos jedes Nahrungsmittel hierher zu
rechnen, kann keinesfalls gebilligt werden. Wenn nach den Mitteilungen für
Preisprüfungsstellen 2) vom Staatssekretär des Innern im Einvernehmen mit
dem Staatssekretär des Reichsjustizamts dem Gesetz eine derartige Auslegung
gegeben ist, weil es als Beispiel für die Gegenstände des täglichen Bedarfs
allgemeine Nahrungsmittel aufzähle, so kann dieser Beweisführung keines-
falls beigetreten werden. Ebenso wie der Begriff der Gegenstände des täg-
lichen Bedarfs vom Gesetz durch die beigefügten Beispiele näher umgrenzt
wird, so werden diese Beispiele selbst wieder näher umgrenzt durch den Begriff,
dessen Erläuterung sie dienen sollen. Gegenstände des täglichen Bedarfs sind
*) Vgl. Mitteilungen für Preisprüfungsstellen 1916 Nr. 3 S. 21.
o) Mitteilungen für Preisprüfungsstellen 1916 Nr. 7 S. 65.