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belasten, so mußte ich wohl oder übel von der Theorie des Reichsgerichts in
der Frage des Rechtsirrtums ausgehen. Genug zu tun blieb dabei übrig. In
der eigenartigen Gesetzestechnik der Kriegswuchergesetze lag die Schwierigkeit der
Aufgabe. Diese Gesetzestechnik hat Lobe gerade das Sprungbrett für seinen
Angriff geschaffen. Der Gewinn, den seine Anschauung dabei davongetragen
hat, bedurfte der Kürzung um das „Übermaß“, das ihm durch eine teilweise
anfechtbare Anwendung der reichsgerichtlichen Theorie auf unser Rechtsgebiet
zugeflossen war.
Berlin, Anfang Januar 1917.
Dr. Max Alsberg.
Dorwort zur ersten Kuflage.
Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung sind durch die veränderten
Wirtschaftsverhältnisse des Krieges vor neue Aufgaben gestellt worden. Eine
der schwierigsten war: zu hindern, daß die Not des einen das Ubermaß des
andern werde. Ziovilrechtliche Vorschriften allein genügten hier nicht. Nur mit
Hilfe einer Sonderstrafgesetzgebung war den sozialen Pflichtgeboten der Kriegs-
zeit die erforderliche Anerkennung zu verschaffen. Das Wirtschaftsrecht des
Krieges wurde so in seinen Hauptmomenten Kriegsstrafrecht. Ein besonderes
Kriegswucherstrafrecht gelangte im Höchstpreisgesetz und in der Preissteigerungs-
verordnung zur Entstehung.
Dieses Buch setzt sich die Schilderung dieses bedeutungsvollsten Teils des
Kriegsstrafrechts zum Ziel. Die neuen Tatbestände, denen das Rechtsleben
gegenübersteht, bedürfen der wissenschaftlichen Erfassung. Nur eine systematische
Arbeit kann diese Aufgabe lösen. Eine Darstellung der durch die Kriegswucher-
gesetzgebung geschaffenen Deliktstatbestände ist dabei in erster Linie zu geben.
Darüber hinaus muß aber auch zu zeigen versucht werden, wie die allgemeinen
Lehren des Strafrechts sich in das ihnen ungewohnte Bett einfügen. Schon
hat man geglaubt, mit Hilfe der Erscheinungen des Kriegsstrafrechts den Ring
alteingewurzelter strafrechtlicher Anschauungen sprengen zu können. Ob mit
Recht, wird sich im Verlauf der Untersuchung zeigen.
Selten bot sich wohl eine günstigere Gelegenheit, der Praxis mit der
wissenschaftlichen Erörterung eines strafrechtlichen Problems zu dienen. Noch
hat der höchste Gerichtshof nicht zu allen Fragen des Kriegswucherstrafrechts
Stellung genommen, über wenige bisher jedenfalls das letzte Wort gesagt.
Hier ist nicht bereits, wie in so vielen Strafrechtsfragen der Friedenszeit, eine
sogenannte „feststehende Judikatur des Reichsgerichts“ zum rocher de bronce
geworden, an dem jede noch so gut begründete selbständige Meinung zerschellen
muß. Stark ist zudem durch die Kriegsgesetzgebung die Souveränität des