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steigt, gehört keineswegs zum Wesen der Marktlage. Entscheidend ist, ob der—
jenige Preis, der sich aus der Vergleichung einer größeren Anzahl von Ge-
schäften ergibt, in einem an gemessenen Verhältnis zu dem
Selbstkostenpreis der Mehrzahl der Verkäufer steht oder von diesen
völlig willkürlich gebildet ist. Bedeutet der übliche Verkaufspreis nicht eine
Ausnutzung der Not der Käufer, so ist es durch nichts gerechtfertigt, von einer
Notmarktlage zu sprechen. Warenknappheit und Notmarktlage sind eben in
keiner Weise identisch.
d) Wo ein Höchstpreis festgesetzt ist, wird dieser als ein behördlich an-
erkannter Marktpreis anzusehen sein. Er pflegt denn auch da, wo kraft Gesetzes
eine Entschädigung zu zahlen ist, ohne Rücksicht auf die Selbstkosten des zu
Entschädigenden vergütet zu werden. Ausdrücklich legt ihm z. B. die Belkannt-
machung über die Sicherstellung von Kriegsbedarf vom 24. Juni 1915 im § 7
(RE#l. S. 357) diese Funktion bei. Allgemein ist deshalb zu sagen, daß
seine Innehaltung, soweit nicht etwa eine ausgesprochen mindere und deshalb
billig erstandene Qualität in Frage steht,) nie den Tatbestand des Preis-
wuchers begründen kann.“)
e) Mit den im Vorstehenden hervorgehobenen Einschränkungen bleibt auch
in der Kriegswirtschaft die Marktlage ein höchst beachtenswerter Faktor der
Preisbemessung. Daß er es bleibt, entspricht in gleicher Weise dem Interesse
der Allgemeinheit wie des Kaufmannstandes. Der Allgemeinheit kann es gleich-
gültig sein, wieviel der einzelne Händler verdient, sofern nur die Preis-
bildung und die Versorgung der Bevölkerung mit den Gegenständen des täg-
lichen Bedarfs möglichst zweckmäßig gestaltet wird, wozu insbesondere auch
gehört, daß durch die Vermeidung verschiedener Preise in den verschiedenen
Vrekaufsstellen unter den Verbrauchern eine unnötige Verbitterung und Be-
unruhigung entsteht.") Gleichmäßig aber dient es den Interessen der Händler
und Verbraucher: nicht lahmzulegen jenen im Wesen des kaufmännischen
obwohl, wie es in dem Urteil heißt, infolge des Hecresbedarfs eine stark gestiegene
Nachfrage nach Käsereierzeugnissen herrschte, die auf eine starke Milchknappheit
zurückzuführen gewesen sei. «
44)DaßsolcheMöglichkeitunterUmständenschonvonderHöchftpreisfeftsetzuw
selbst beachtet wird, sahen wir bereits oben Abschnitt 1 § 1 Anm. 1 S. 20.
35) Anderer Meinung: Lobe, Ubermäßiger Gewinn S. 25. .
46) So schon das Gutachten der Handelskammer in Dresden
in Mitteilungen dieser Kammer in der Nr. 11 des 4. Jahrgangs November 1915
S. 472. Auf den von der Dresdener Handelskammer eingenommenen und
eingehend begründeten Standpunkt haben sich nach dem in der Sitzung des Aus-
schusses des Deutschen Handelstags vom 10. und 11. Februar 1916 er-
statteten Bericht alle Handelskammern gestellt, die sich bis dahin zu der Frage
geäußert hatten. Der Ausschuß des Deutschen Handelstags hat danach einstimmig
eine Erklärung beschlossen, wonach der Tatbestand des Preiswuchers nicht als
gegeben zu betrachten sei, wenn der geforderte Preis sich innerhalb der Grenze des
Marktpreises halte (s. Deutscher Handelstag, Mitteilungen an die Mitglieder,
56. Jahrgang, Nr. 5 S. 26 ff). In seiner Sitzung vom 27. und 28. Oktober 1916
hat sich der Ausschuß des Deutschen Handelstags von neuem auf den gleichen Stand-
punkt gestellt (s. Rundschreiben des Deutschen Handelstags vom 30. Oktober 1916).