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eines geschäftlichen Unternehmens darstellen. So hat ein Urteil
des IV. Senats vom 28. März 1916 55) beim Verkauf von Jagdwild, das in
einer zum Vergnügen gepachteten Jagd gewonnen war, für die Berechnung der
Angemessenheit des Gewinns nicht den Pachtzins als „Gestehungskosten"
gelten lassen, vielmehr den Marktpreis des Wildes als entscheidend be-
trachtet. Stünden die voraufgegangenen Aufwendungen nicht mit den Erträg-
nissen in beabsichtigtem Zusammenhang und nicht im Verhältnis
von Mittel zum Zweck, so könnten sie bei der Frage, ob die Er-
langung der Erträgnisse einen Gewinn bedeutet, auch nicht in Rechnung
gestellt werden.
In einem Irrtum befindet sich das RG., wenn es glaubt, daß lediglich für
den Fall einer zum Vergnügen gepachteten Jagd die Auffassung des Pacht-
zinses als Gestehungskosten ausgeschlossen sei; vielmehr ist die „reine Gestehungs-
kostentheorie“ überhaupt im Bereich der Land= und Forstwirtschaft schwer durch-
führbar. Zu den schon in den natürlichen Verhältnissen dieser Wirtschaftsform
gegründeten Schwicrigkeiten der Selbstkostenberechnung der einzelnen Produkte
tritt die besondere Schwierigkeit hinzu, daß der Gutsherr von alters her einen.
großen Teil seines Bedarfs und dessen seiner Leute in eigener Wirtschaft zu
befriedigen gewohnt ist, #S) und die Berechnung des Geldwerts dieses Anteils
sich jedenfalls, wenn überhaupt nur unter Einführung einer der Landwirtschaft
unbekannten, ins einzelne gehenden Buchführung durchführen ließe.
5 Aber auch wo die Gestehungskosten feststellbar waren, haben ein Urteil
des I. Senats vom 31. Mai 1916 57) und ein Urteil des V. Senats vom
17. Oktober 1916 58) den Marktpreis als Grundlage der Preisbemessung gelten
lassen, sofern der niedrigere Erwerbspreis „auf Umstände zurückzuführen ist,
die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Kriegsnot
stehen, sich auf die Person des Täters und etwa noch seines Rechtsvorgängers
beschränken und auf die Preisbildung gegenüber der Allgemeinheit und dem
Verbraucher ohne Einfluß sind“.
Um zu verstehen, was damit gemeint sein soll, müssen wir auf den Tat-
bestand der beiden Urteile zurückgehen. In dem Fall des I. Senats hatte der
Angeklagte gelegentlich der Versteigerung zweier Bullen sich mit den übrigen
Bietern verabredet, durch ein geringes Angebot den Preis niederzuhalten.
Danach hatte er „dann in eigenem Namen, in Wahrheit für sich und seine Ge-
nossen die Viehstücke von dem offenbar durch das ungünstige Ergebnis der Ver-
steigerung beeinflußten Bürgermeister erheblich unter ihrem Wert freihändig
gekauft und sie bald hernach auf dem Viehmarkt um einen Betrag verkauft, der
dem durch die Marktlage gerechtfertigten Marktpreis entsprach". Im Gegen-
satz zu der Vorinstanz verneinte der I. Senat den Tatbestand des Preiswuchers.
In dem Fall des V. Senats hatte der Angeklagte Butter im Wege des hehle-
55) DJ.Z. 1916 S. 633, gekürzt auch in JW. 1916 S. 1205.
56) S. dazu Sombart, Die deutsche Volkswirtschaft im 19. Jahrhundert,
Volksausgabe, Berlin 1913, S. 323.
57) Sächs Arch. 1916 S. 352 = E. 50 S. 98 -— JW. 1916 S. 1205.
58) In JW. 1916 S. 1537 sub 5 = L3. 1917 S. 128.