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er zum Höchstpreis eingekauft; hat er deliktischerweise (durch Betrug,
Hehlerei usw.) zuwenig gezahlt, so soll er — nach dem Urteil des I. bzw.
V. Senats — seinen Weiterverkaufspreis so berechnen dürfen, als hätte er wie
jeder andere dem höheren Marktpreise unterworfene Händler eingekauft!
Es ist aber auch nicht einmal richtig, daß gerade nur derjenige, der sich
durch Betrug oder auf ähnliche Weise einen Gegenstand billig verschafft hat,
durch Einhaltung der Marktpreise nicht zu einer allgemeinen Verteuerung bei-
trüge, daß dies aber — und hier läßt das RG. im praktischen Effekt ja eigent-
lich gar keine Ausnahme gelten — stets bei demjenigen der Fall sei, für den
sich der Gestehungspreis deshalb niedriger als bei seiner Konkurrenz gehalten
hat, weil er noch größere Bestände aus einer früheren Zeit hat, oder weil er
im Besitz einer vorteilhaften Fabrikationsmethode ist, oder auch weil er sich in
geschickter Weise Ware aus dem Ausland zu verschaffen gewußt hat. Deshalb
darf man die Umstände, die in dem Fall des I. Senats vom 31. Mai 1916
(betrügerischer Erwerb) und des V. Senats vom 17. Oktober 1916 (hehlerischer
Erwerb) den Erwerbspreis niedrig hielten, lediglich als Zufälligkeiten werten.
Aus ihnen ein Prinzip abzuleiten, nach dem es darauf ankommen soll, ob sich
der Einkaufspreis „nach Gesichtspunkten allgemeinwirtschaftlicher Natur ge-
bildet hat“, ist verfehlt. o) Richtig ist nur das zur Rechtfertigung des Prinzips
60) Wie kautschukartig zudem ein solcher Grundgedanke ist, dürfte auch ohne
weitere Ausführungen klar zutage liegen. Es ist denn auch kein Zufall, daß sogar
die anderen Senate des RG. zunächst das Prinzip nicht klar erkannt haben, das in
dem Urteil des I. Senats vom 31. Mai 1916 zum Ausdruck kommen soll. So be-
gegnet das Urteil des IV. Senats vom 7. Juli 1916, JW. 1916 S. 1203 Nr. 24
(auf S. 1204 rechte Spalte), einer Berufung auf das Urteil des I. Senats, mit der
Erwägung, der I. Senat habe sich nur für den Fall, daß der Einkaufspreis „zufolge
besonderer Geschicklichkeit des Unternehmers erheblich unter dem Wert gehalten ist",
mit seiner Nichtberücksichtigung einverstanden erklärt — was keinesfalls der einzige
und vor allen Dingen nicht der ausschlaggebende Gesichtspunkt des I. Senats war.
Daß der I. Senat so nur unter dem Gesichtspunkt eines „berechtigten höheren Unter-
nehmerlohnes“ den höheren Gewinn gebilligt habe, ist dem interpretierenden
IV. Senat denn auch keineswegs zuzugeben: müßte es doch auch höchst auffallend
erscheinen, wenn man gerade für einen Betrüger einen höheren Unternehmerlohn
als berechtigt anerkennen wollte. Das Kammergericht, das im Gegensatz zum RG.
die Bedeutung der Marktlage für die Preisbemessung ziemlich weitgehend aner-
kennt (s. oben Anmerkung 50 a), aber — wohl um diese Difformität der Recht-
sprechung nicht ausdrücklich zuzugeben — sich äußerlich im Einklang mit den vom
RW. aufgestellten Rechtsgrundsätzen zu halten sucht, glaubt in dem Urteil vom
6. Juli 1917, L.Z. 1917 S. 1097, einen Tatbestand, wie ihn die besprochenen
RG.-Entscheidungen umschreiben, bei folgender Sachlage feststellen zu können.
Der Angeklagte hatte Seife im Februar 1915 gekauft, aber erst im
Juli 1916 geliefert erhalten. Er hatte sie dann zu einem Preise
verkauft, der erheblich über seinem Gestehungspreis lag, sich aber wesentlich
unter dem damaligen Kleinhandelspreis hielt. Daß der Angeklagte die Ware
durch die verspätete Lieferung zu einem längst überholten Einkaufspreis er-
halten hat, bezeichnet das Kammergericht unter Berufung auf das Urteil E. 50
S. 97 als einen Glückszufall, bei dem der Gewinn schon mit dem Erwerb ein-