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eine Angeklagte sich an andere Händler mit der Aufforderung wandte, sich ihrer
Preiserhöhung anzuschließen. 10)
8 4.
Beteiligung an Preissteigerungskomplotten.
Den in den vorigen Paragraphen (88 1 bis 3) geschilderten Handlungen
wird die Teilnahme an einer Verabredung oder Verbindung gleichgestellt, die
eine der bezeichneten Handlungen bezweckt. Einigen sich z. B. Erzeuger oder
Händler von Bedarfsgegenständen dahin, diese Gegenstände zurückzuhalten, um
so höhere Gewinne zu erzielen, so wird schon diese Abrede ohne Rücksicht auf
ihre Ausführung bestraft.
Dem Versuch einer organisierten Zurückhaltung von Vorräten tritt diese
Strafbestimmung da entgegen, wo er am gefährlichsten ist: nämlich da, wo er
zu jener Koalitionsform führt, die man als „Corner“ zu bezeichnen pflegt, und
die darin besteht, daß ein Unternehmerverband den gesamten Vorrat einer be-
stimmten Warengattung (Kaffee, Korn, Metalle usw.) einzusperren sucht. Die
Gefahr solcher Corners war bei freier Weltwirtschaft bisher noch nie unüber-
windlich. Bei der Gleichgewichtsstörung am Warenmarkt des „isolierten Staates“
müßten sie dagegen zur schwersten Erschütterung des Wirtschaftskörpers führen.
Die Strafbestimmung beschränkt sich nicht auf die Bekämpfung eigentlicher
Corners; sie kann in gleicher Weise zur strafrechtlichen Unterdrückung von
Kartellen führen, die auf einer an sich durchaus einwandfreien volkswirt-
schaftlichen Grundlage ins Leben gerufen sind. Denn schon in ihrem Wesen
als einer typischen Monopolorganisation:) ist für die Mehrzahl der
Kartelle die Gefahr eines Konflikts mit den Tendenzen der Preis Steig VO.
begründet. Für Absatzkartelle, d. h. Kartelle, die sich auf die Ver-
teilung der Absatzgebiete an die einzelnen Unternehmer beschränken, ist allerdings
diese Gefahr naturgemäß eine verhältnismäßig geringe, ebenso auch für die
Konditionenkartelle, d. h. diejenigen Kartelle, die auf Vereinbarungen
über untergeordnete Bedingungen des Verkaufs (Zahlungsfristen, Fracht-
anrechnung) beruhen. Größer ist die Konfliktsgefahr für Mengenkartelle,
d. h. Kartelle, denen Abmachungen über die Größe der Produktion zugrunde
liegen; am größten für Preiskartelle, speziell diejenigen, die ohne Rück-
sicht auf die Selbstkosten des einzelnen Teilnehmers bestimmte Minimalpreise
firieren. Die Rücksicht auf die Gemeinschaftsinteressen soll Kartellbeschlüsse
hintanhalten, deren Durchführung den Mitgliedern des Kartells auf Kosten der
Konsumenten einen unangemessenen Nutzen verschaffen würde. Ob dieser
Zweck bestimmend für den Kartellbeschluß war, ist, da ein Mbsichtsdelikt in
Frage steht, notwendigerweise stets sorgfältigst zu prüfen.
Teilnahme ist hier offensichtlich nicht im technischen Sinne der 88 47 ff.
10) S. Urteil des IV. Senats vom 17. Dezember 1915, DJZ. 1916 S. 241.
1) Über diese Natur der Kartelle s. Philippovich, Grundriß der poli-
tischen Okonomie, Bd. II, Volkswirtschaftspolitik 1. Teil, 7. Auflage, Tübingen
1914 S. 205. Uber die verschiedenen Arten von Kartellen s. denselben Bd. L
Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 11. Auflage, Tübingen 1916 S. 232.