Full text: Kriegswucherstrafrecht.

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IV. Als eine unlautere Machenschaft stellt sich das 
sukzessive Eingreifen mehrerer Händler in den Umlauf 
der Ware dar, wenn es der Anschauung ehrbarer Kauf- 
leute über das, was Aufgabe des Handelsverkehrs ist, 
widerspricht. Diese Anschauung muß orientiert sein im Hinblick 
auf die Verhältnisse der Kriegswirtschaft.sa) Das will 
sagen: den sozialen Anforderungen der Kriegswirtschaftszeit ist Rechnung zu 
tragen; die anormalen Verhältnisse der Zeit müssen als solche gewertet werden. 
Die Anpassung des Handels an die sozialen Anforderungen der Kriegs- 
wirtschaftszeit verlangt, daß der Handel sich nicht unter völliger Zurücksetzung 
sozialer Gemeinschaftsinteressen lediglich um seiner selbst willen abspielen darf, 
daß er sich vielmehr Beschränkungen auferlegen muß, soweit er der Versorgung 
der Allgemeinheit zu angemessenen Preisen hinderlich ist. Wie eine an sich im. 
geschäftlichen Leben einwandfreie Handlung durch ihre Beziehung zum Wett- 
bewerbszweck den Tatbestand einer unlauteren erfüllen kann"!) also im Hinblick 
auf die berechtigten Interessen anderer Mitglieder derjenigen Gemeinschaft, zu. 
der der Handelnde gehört, so ist das in analoger Weise für unser Rechtsgebiet 
möglich, mit Rücksicht auf die Gemeinschaftswirtschaft, in die sich der einzelne 
in der Kriegszeit einzufügen hat. 5) 
  
begegnet sei: in der Verordnung sei absichtlich eine Erläuterung des Begriffs 
„Kettenhandel“ nicht gegeben, weil die beteiligten Kreise, insbesondere der ehrliche 
Kaufmann, am besten wissen müßten, was in den gegenwärtigen Zeiten eine 
unlautere Machenschaft sei. Besser konnte wohl nicht zum Ausdruck gebracht 
werden, daß der Kettenhandel aus seinem Wesen als einer unlauteren Machenschaft 
zu bestimmen und zu umgrenzen sei. Wenn Falck in der II. Auflage cit. Schrift 
S. 93 Anm. 2 gegenüber der diesseitigen Bekämpfung seines Standpunkts meint: 
Lehmann a. a. O. S. 45, 49 habe seinem Standpunkt im wesentlichen zu- 
gestimmt, so dürfte das von Lehmann S. 49 unten und S. 50 oben Gesagte 
übersehen sein. Lehmann hat denn auch in der Besprechung der I. Auflage der 
Schrift von Falck in JW. 1917 S. 444 gerade auf meine der Ansicht Falcks 
gegenübergestellte Definition Bezug genommen und hinzugefügt: „Auch mir scheint 
die Begriffsbestimmung Falcks die Gefahr einer Überspannung in sich zu bergen.“ 
Vor allem hat Oberlandesgerichtsrat Feisen berger, z. Zt. Hilfsarbeiter bei 
der Reichsanwaltschaft, in Ztschr. f. d. ges. Strafr. Wissensch. 38 S. 719 seiner 
Meinung dahin Ausdruck gegeben, daß meine Ausführungen „eine überzeugende 
Widerlegung der bekannten Falckschen Ansichten“ darstellten. Zustimmend auch 
Wassermann in „Recht und Wirtschaft“ 1917 S. 122. 
za) Diesen Gesichtspunkt betont auch Lehmann a. a. O. S. 50, der aller- 
dings dazu in Anm. 36 versehentlich eine Abweichung der hier vertretenen Auf- 
fassung feststellen zu müssen glaubt. Lehmann hat dies inzwischen in Blätter f. 
Rechtspfl. im Bezirk des Kammergerichts 1917 S. 80 richtig gestellt. S. auch die 
unten in Anmerkung 9 cit. Urteile des R. 
*) S. dazu Lobe in „Gewerblicher Rechtsschutz“ 15. Ihrg. (1910) S. 8f. 
5) Mit dieser Anpassung an den Gemeinschaftszweck wird in den Handels- 
begriff kein ihm wesensfremdes Moment hineingetragen. Geht doch schon das Ziel 
in der Friedenswirtschaft dahin, das privatwirtschaftliche Prinzip des Erwerbs und 
das allgemein volkswirtschaftliche Prinzip in Einklang zu bringen. Allerdings 
erscheint es als eine idealisierte Auffassung, wenn z. B. Schär, Handels-
	        
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