Full text: Kriegswucherstrafrecht.

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Das spezifisch börsenmäßige Verhandeln von Lebensmitteln — mag es den 
Tatbestand des Differenzgeschäfts erfüllen oder nicht — muß in jedem Fall, 
weil es lediglich preistreibend in den Umlauf der Ware eingreift, als ein unzu- 
lässiger Kettenhandel angesprochen werden. Man könnte sogar als eine, wenn 
auch nicht ausnahmslose Regel den Grundsatz aufstellen, daß der Handel 
unter gleichstehenden Funktionären des Warenverkehrs 
den typischen Kettenhandel ausmacht. Der Großhändler soll 
nicht vom Großhändler kaufen und so die Ware mit dem Effekt ihrer Verteuerung 
im Großhandel weiter bewegen, ehe sie die nächstfolgende Etappe des Absatz- 
weges erreicht. Der Kleinhändler soll sie nicht vom Kleinhändler kaufen, um 
sie so erst nach entsprechender Verteuerung in den Bereich der Konsumenten 
gelangen zu lassen. 
Sind indes die in dem Verteilungsprozeß der Ware eingreifenden Personen 
handelstechnisch nicht nebengeordnet, sondern übergeordnet, so ist die Entscheidung 
meist schwieriger. Eine starke Verteuerung der Ware auf dem Wege vom Pro- 
duzenten bis zum Konsumenten weist keineswegs zwingend auf Kettenhandel 
hin, wenn sie auch zwingend mit dem Kettenhandel verbunden ist. Die Ver- 
teuerung der Ware durch die Zwischenhandelsfaktoren erweist sich nämlich, wenn 
man ihr einmal nachgeht, ganz allgemein als eine außerordentliche ) und keines- 
wegs überall wirtschaftlich gerechtfertigte.') Die Gesamtzuschläge, die auf die 
Ware gelegt werden, ehe sie ihr Ziel erreicht, sind natürlich nach der Waren- 
gattung verschieden, gingen aber schon in Friedenszeiten durchaus normalerweise 
wiederholt über 100 Prozent hinaus. 3) So hat die Feststellung einer mit der 
Zirkulation der Ware verbundenen starken Verteuerung lediglich die Bedeutung 
eines höchst unsicheren, wenn auch nicht völlig wertlosen Indizes für das Vor- 
liegen eines Kettenhandels. 
Das Einschalten eines Zwischenhändlers in das Glied der Kette kann 
unlauter sein, obwohl es den Gebräuchen des Friedens entspricht; es kann 
lauter sein, obwohl es dem Handel der Friedenszeit unbekannt war: entscheidend 
ist, ob in dem Einfügen dieses Gliedes in die Händlerkette lediglich eine un- 
lautere Ausnutzung der die Warenverteilung gegen- 
  
betriebslehre, II. Aufl., Bd. 1, Leipzig 1913 S. 85 die Auffassung vertritt, daß es 
dem einzelnen Träger des Handels nur in dem Maße dauernd gelingen werde, 
den von ihm sich gesetzten privaten Zweck des Handels zu erreichen, wenn er im 
Wirtschaftsorganismus nützliche und notwendige Arbeit verrichte. So sollte es 
sein, aber es ist keineswegs immer so. Von dieser nun einmal gegebenen Tatsache 
geht auch die gesetzgeberische Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs aus, und 
ihr schließt sich die Kriegswuchergesetzgebung an. 
6) S. darüber Philippovich, Grundriß der politischen Okonomie, II. Bd. 
Volkswirtschaftspolitik 2. Teil, 5. Aufl., Tübingen 1915 S. 135; Wernicke, 
Das Waren= und Kaufhaus, Leipzig 1913 S. 111. 
7) Daher auch die vielfachen Bestrebungen zur Einschränkung des Zwischen- 
handels; s. darüber Philippovich a. a. O. 
8) Hirsch, in dem bereits zitierten Beitrag zum Grundriß der Sozial- 
ökonomik, gibt 100 % als Durchschnittssatzan. Die Angaben bei Philippovich 
a. a. O. dürften zu einem noch höheren Durchschnittssatz führen.
	        
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