Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

96 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
Dispositionsfonds von drei Millionen zu staatlichen Zwecken, hauptsächlich 
Gnadenbewilligungen zur Verfügung gestellt. 
8 54. d) Der Bunderat. 
1. Wesen des Bundesrates und rechtliche Stellung seiner Mitglieder. 
1. Der Bundesrat, „die verbündeten Regierungen“, ist Träger 
der Reichsstaatsgewalt, er besteht aus „Vertretern“ der 25 deutschen 
Einzelregierungen, übt alle Rechte der Reichsgewalt aus, sow eit 
sie nicht (durch Verfassung oder Gesetz) speziell dem Kaiser zur 
Ausübung übertragen sind, und regiert deshalb gleichfalls an 
oberster Stelle (RV. Art. 6 ff.). 
Der Bundesrat stellt sich in seiner Gesamtheit als ein Organ des 
Reichs dar, während den einzelnen Mitgliedern desselben, den Bevoll- 
mächtigten zum Bundesrat, daneben die Wahrnehmung der Rechte 
ihrer Staaten obliegt. 
2. Die Mitglieder des Bundesrats sind: 
à) öffentlich-rechtliche Gesandte, die das Recht der Exterritorialität 
genießen (GVG. 85 18—20), einen Anspruch auf diplomatischen Schutz 
haben (RV. Art. 10) und gewisse Vorrechte bezüglich ihrer Zeugnis- 
pflicht 3PO. 88 347, 367. St PO. 8§ 49, 72 (Vernehmung in Berlin, 
solange sie sich dort aufhalten). 
b) Üüberbringer der Weisungen ihrer Regierung, welche sie mit 
Instruktionen versieht (RV. Art. 7 Abs. 3).1) Daraus ergibt sich: 
a)die Gesamtheit der einem Bundesstaat zustehenden Stimmen 
kann nur einheitlich abgegeben werden (RV. Art. 6 Abs. 2); 
1) Die rechtliche Bedeutung der Instruktion des Bundesratsbevollmächtigten 
seitens des ihn entsendenden Bundesstaats ist neuerdings in der Sitzung des Preuß. 
Abgeordnetenhauses vom 29. Mai 1906 bei Beratung über den Antrag des Ab- 
geordneten Arendt u. Gen., die Staatsregierung aufzufordern, im Bundesrate dahin 
zu wirken, daß Eingriffe in die Verfassung der Einzelstaaten, insbesondere Preußens, 
im Wege der Reichsgesetzgebung vermieden, jedenfalls nicht ohne Einvernehmen mit 
den Einzellandtagen vorgenommen werden, aktuell geworden. 
Die Stellungnahme hängt von der Beantwortung der Vorfrage ab, ob die 
Instruktion des Bundesratsbevollmächtigten ein Regierungsakt, für den die Minister 
des einzelnen Bundesstaats in derselben Weise verantwortlich sind, wie für jeden 
anderen Regierungsakt (so Laband), oder ob sie ein Recht der Krone oder lediglich 
Regierungssache und zwar ein Akt der Exekutive, folglich eine Regierungshandlung 
des Königs ist (so Meyer). Nur im ersteren Falle würde die Instruktion der 
Genehmigung des Landtages des Bundesstaats unterliegen, während in den letzt- 
gedachten Fällen, da weder für Kronrechte des Königs noch für einen Akt der 
Exekutivgewalt der Regierung eine Befragung und Zustimmung des Landtages er- 
forderlich ist, es dieser Befragung des Landtages nicht bedürfe. 
Man hat vor allem gegen die Befragung des Landtages bezüglich der Erteilung 
von Instruktionen an die Bundesratsbevollmächtigten geltend gemacht, daß nicht 
einzusehen ist, in welcher Weise ein Einvernehmen zwischen dem Bundesrat und 
den Einzellandtagen hergestellt werden könnte. Es ist ferner auch die unabhängige 
und selbständige Stellung des Bundesrats, als eines Organes der Reichsverwaltung, 
welches von einer außerhalb stehenden Instanz nicht abhängig gemacht werden kann, 
und die Eigenschaft des Bundesrats als Staatenhaus, d. h. Vertretungskörper der ver- 
bündeten Regierungen betont worden.
	        
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