102 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches.
Dem Reichstag stehen auch eine Reihe von Selbstverwaltungsbefug-
nissen zu; er prüft die Legitimation seiner Mitglieder und entscheidet
darüber, er regelt seinen Geschäftsgang und seine Disziplin durch eine
Geschäftsordnung und erwählt seinen Präsidenten, seine Vizepräsidenten
und Schriftführer (RV. Art. 27). Bei der Prüfung der Legiti-
mation seiner Mitglieder hat der Reichstag nur die Gültigkeit
der Wahlen in den Kreis seiner Erörterung zu ziehen. Zum Zwecke
der Prüfung sind nach § 35 nebst Anlage D des Wahlreglements
sämtliche Akten über die Wahlen und deren Ergebnisse den Zentral-
behörden der Bundesstaaten einzureichen und durch diese dem Reichstage
vorzulegen. Für das Prüfungsverfahren erfolgt nach §§ 3 ff. der
Gesch.-Ordn. des Reichstags eine Vorprüfung in einer der sieben Ab-
teilungen, im Falle von Protesten oder Anfechtungen eine weitere
Prüfung durch eine Wahlprüfungskommission und endlich die Ent-
scheidung durch das Plenum. Die Entscheidung kann dahin gehen,
die Wahl zu beanstanden und eine Aufklärung der Tatumstände durch
Ersuchen des Reichskanzlers herbeizuführen. Bis zur Entscheidung
behält das betreffende Mitglied Sitz und Stimme im Reichstage.
Lautet die definitive Entscheidung auf Ungültigkeitserklärung der Wahl,
so hat eine Neuwahl stattzufinden.
Ein selbständiges Enqueterecht besitzt der Reichstag nicht, jedoch
kann er die Regierung um Einsetzung einer Enquetekommission ersuchen.
II. Zusammensetzung des Reichstages. Wahlberechtigung. Wahl-
verfahren. Mitglieder des Reichstages. Berufung. Vertagung.
Schließung. Auflösung.
Der Reichstag besteht aus 397 Abgeordneten des deutschen Volks,
von denen jeder in einem besonderen Wahlkreise gewählt wird. Auf
Preußen kommen 236 Abgeordnete, auf Bayern 48, auf Sachsen 23,
auf Württemberg 17, auf Elsaß-Lothringen 15, auf Baden 14, auf
Hessen 9, auf Mecklenburg-Schwerin 6, auf Sachsen-Weimar, Olden-
burg, Braunschweig, Hamburg je 3, auf Sachsen-Meiningen, Sachsen-
Koburg-Gotha, Anhalt je 2, auf Mecklenburg-Strelitz, Sachsen-Alten-
burg, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck,
Reuß ä. L., Reuß j. L., Schaumburg-Lippe, Lippe, Lübeck, Bremen
je 1 Abgeordneter. Eine Vermehrung der Abgeordneten nach Maß-
gabe der zunehmenden Bevölkerung kann nur im Wege der Gesetz-
gebung erfolgen. Dasselbe gilt von einer Veränderung der bestehenden
Wahlkreise. In Preußen verteilen sich die Wahlkreise auf die einzelnen
Landesteile wie folgt. Der Regierungsbezirk Königsberg hat 10,
Reg.-Bez. Gumbinnen 7, Reg.-Bez. Danzig 5, Reg.-Bez. Marien-
werder 8, Stadtkreis Berlin 6, Reg.-Bez. Potsdam 10, Reg.-Bez.
rankfurt 10, Reg.-Bez. Stettin 7, Reg.-Bez. Köslin 5, Reg.-Bez.
tralsund 2, Reg.-Bez. Posen 10, Reg.-Bez. Bromberg 5, Reg.-Bez.
Breslau 13, Reg.-Bez. Oppeln 12, Reg.-Bez. Liegnitz 10, Reg.-Bez.
Magdeburg 8, Reg.-Bez. Merseburg 8, Reg.-Bez. Erfurt 4, Reg.-Bez.
Schleswig-Holstein mit Lauenburg 10, Provinz Hannover 19, Reg.-Bez.
Münster 4, Reg.-Bez. Minden 5, Reg.-Bez. Arnsberg 8, Reg.-Bez.
Wiesbaden 6, Reg.-Bez. Kassel 8, Reg.-Bez. Köln 6, Reg.-Bez.