§ 55. Der Reichstag. 107
Amte eines Schöffen oder Geschworenen ablehnen (GVG. 8 35, 85).
Wer es unternimmt, den Reichstag auseinander zu sprengen, zur Fassung
oder Unterlassung von Beschlüssen zu nötigen oder Mitglieder aus
der Versammlung gewaltsam zu entfernen, oder wer Reichstagsmit-
glieder durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren
Handlung verhindert, sich an den Ort der Versammlung zu begeben
oder zu stimmen, wird, wenn nicht mildernde Umstände vorhanden
sind, mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bezw. bis zu fünf
Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. (St G.
§§ 105, 106.) Beleidigungen des Reichstages können nur mit dessen
Ermächtigung verfolgt werden. Eines Strafantrages bedarf es nicht.
(St GB. § 197.) — Die Mitglieder des Reichstages dürfen als
solche keine Besoldung oder Entschädigung beziehen (RV. Art. 32).
Verträge über Diätengewährung sind zwar nicht strafbar, aber nach
§ 134 BG#B. nichtig, weil sie gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen.
Eine Rückforderung gezahlter Diäten ist aber nach BGB. F 817 aus-
geschlossen, da dem Zahlenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt.)
Eine Ausnahme von dem Verbote der Entschädigung ist jedoch in-
soweit anerkannt, als die Mitglieder des Reichstages freie Eisenbahn-
fahrt zwischen ihrem Wohnsitze und Berlin während der Sitzungs-
periode sowie 8 Tage vorher und nachher haben. Ausnahmsweise
sind allerdings auf Grund besonderer Reichsgesetze den Mitgliedern des
Reichstages Diäten zugebilligt worden, so den Mitgliedern der Justiz-
kommission und denen der Zolltarifkommission (RG. vom 23. Dez. 1874,
1. Febr. 1876 und 20. Juni 1902).
Durch das Reichsges. vom 21. Mai 1906 (REl. S. 467), be-
treffend die Anderung des Art. 32 NV., treten an die Stelle des
Art. 32 jetzt folgende Vorschriften: Die Mitglieder des Reichstages
dürfen als solche keine Besoldung beziehen. Sie erhalten eine Ent-
schädigung nach Maßgabe des Gesetzes betr. die Gewährung einer Ent-
schädigung an die Mitglieder des Reichstages vom 21. Mai 1906
(REBl. S. 468). Nach § 1 dieses Ges. erhalten die Mitglieder des
Reichstages für die Dauer der Sitzungsperiode sowie acht Tage vor
deren Beginne und acht Tage nach deren Schluß freie Fahrt auf den
deutschen Eisenbahnen, sowie eine jährliche Aufwandsentschädigung von
insgesamt 3000 Mk., die am 1. Dezember mit 200 Mk., am 1. Januar
mit 300 Mk., am 1. Februar mit 400 Mk., am 1. März mit 500 Mk.,
am 1. April mit 600 Mk. und am Tage der Vertagung (Art. 26
der RV.) oder Schließung des Reichstages mit 1000 Mk. zahlbar wird.
Für jeden Tag, an dem ein Mitglied des Reichstages der Plenar-
sitzung fern geblieben ist, wird von der nächstfälligen Entschädigungs-
rate ein Betrag von 20 Mk. in Abzug gebracht (§ 2). Durch
vorstehende Bestimmung charakterisiert sich die Entschädigung als An-
wesenheitsgeld. Die Anwesenheit in der Sitzung wird dadurch nach-
gewiesen, daß das Mitglied des Reichstages sich während der Dauer
der Sitzung in eine Anwesenheitsliste einträgt. Wer an einer nament-
1) Vgl. Reincke, Verfassung, Anm. 32 zu Art. 32 S. 185f.