§ 60. Behörden der Reichsverwaltungsgerichtsbarkeit. 119
III. Das Oberseeamt (seit 1877). Das Amtz entscheidet endgültig
auf die Beschwerde gegen die Urteile der Seeämter, durch welche einem
Schiffer, Steuermann oder Maschinisten eines Seedampfschiffes die Be-
fugnis zur Ausübung des Gewerbes entzogen ist, und zwar in öffent-
licher Sitzung in der Besetzung von sieben Mitgliedern, von denen
drei der Schiffahrt kundig sein müssen. Der Vorsitzende, der die
Fähigkeit zum Richteramte haben muß (z. Z. ein vortragender Rat
im Nebenamt) und ein schiffahrtskundiger Beisitzer werden vom Kaiser
ernannt. Die übrigen 5 Beisitzer werden für jeden Beschwerdefall von
dem Vorsitzenden aus der Zahl der sachkundigen Personen ausgewählt,
von denen jeder der sechs Bundesseestaaten je drei für drei Jahre in
Vorschlag bringt.
IV. Das verstärkte Reichseisenbahnamt (seit 1873), welches durch
Zuziehung von richterlichen Beamten in kollegialer Beratung und
Beschlußfassung endgültig entscheidet, wenn gegen eine von dem Amte
verfügte Maßregel Gegenvorstellung auf Grund der Behauptung erhoben
wird, daß die Maßregel in den Gesetzen und rechtsgültigen Vorschriften
nicht begründet sei.
V. Das Kaiserliche Patentamt (seit 1877). Es bestehen bei dem-
selben zehn Anmelde-, zwei Beschwerde= und eine Nichtigkeitsabteilung.
Während die Anmeldeabteilungen bei der Erteilung der Patente eine
der freiwilligen Gerichtsbarkeit ähnliche Tätigkeit ausüben, findet ein
Verwaltungsstreitverfahren vor der Nichtigkeitsabteilung statt, die auf
Antrag über die Erklärung der Nichtigkeit und die Zurücknahme eines
Patentes in den vom Gesetz besonders vorgesehenen Fällen nach Ladung
und Anhörung der Beteiligten entscheidet. Als Rechtsmittel ist die
Berufung an das Reichsgericht gegeben. Den Beschwerdeabteilungen
kommt die Stellung eines Verwaltungsgerichts insofern zu, als sie
auf Beschwerde gegen Beschlüsse der Nichtigkeitsabteilung und auf die
Beschwerde eines dritten gegen die Verleihung eines Patentes durch
die Anmeldeabteilungen befinden.
Das Patentamt ist zuständig für die Erteilung, Nichtigkeitserklärung
und Zurücknahme von Erfindungspatenten (RE. vom 7. April 1891),
für die Eintragung und Löschung von Warenzeichen (RE. vom 12.
Mai 1894) und für Eintragung von Gebrauchsmustern (RG. vom
1. Juni 18919.
An der Spitze des Patentamtes steht ein vom Kaiser auf Vorschlag
des Bundesrates ernannter Präsident, der auch die Geschäfte der
Nichtigkeits= und der Beschwerdeabteilungen leitet, und unter ihm stehen
vier Direktoren. Die genannten drei Abteilungen haben acht im
Hauptamt befindliche und 25 nicht ständige Mitglieder; ihre Ent-
scheidungen erfolgen in der Besetzung von zwei rechtskundigen und
drei technischen Mitgliedern, während bei anderen Beschlußfassungen
die Anwesenheit von drei Mitgliedern genügt.
VI. Das Reichsversicherungsamt (seit 1884). Als rechtsprechende
Behörde ist das RVA. zuständig zur endgültigen Entscheidung auf
Rekurse und Revisionen gegen die Entscheidungen der Schiedsgerichte
für Arbeiterversicherung über Unfallentschädigungen und über Invaliden-