§ 65. Reichsvermögen und Reichsschulden. 131
schuldenverwaltung geführte Reichsschuldbuch in gleichwertige Buch-
schulden auf den Namen eines bestimmten Gläubigers umgewandelt werden.
Bezüglich der Reichskassenscheine ist zu bemerken, daß dieselben
im Betrage von 120 Millionen Mark (dem Reichskriegsschatze ent-
sprechend) in Abschnitten von 5, 20 und 50 Mark ausgegeben sind.
Dieselben werden bei allen Kassen des Reichs und sämtlicher Bundes-
staaten nach ihrem Nennwerte in Zahlung angenommen und von der
Reichshauptkasse für Rechnung des Reichs jederzeit auf Erfordern
gegen bares Geld eingelöst.
Im Privatverkehr findet ein Zwang zu ihrer Annahme nicht statt
(§ 5 Abs. 1 u. 2 des RGes. vom 30. April 1874 RGBl. S. 40).
Von den Bundesstaaten darf ferner nur auf Grund eines Reichs-
gesetzes Papiergeld ausgegeben oder dessen Ausgabe gestattet werden
(8 8 1. c.). Ebenso sind Prämienanleihen, bei denen der Zins ganz
oder teilweise als Gewinn verlost wird, nur auf Grund eines Reichs-
gesetzes und nur zum Zwecke der Anleihe eines Bundesstaates oder
des Reichs zulässig (RG. vom 8. Juni 1871 RGl. S. 210).
III. Die Reichsfinanzwirtschaft. Obwohl das Reich seine eignen
Einnahmen und Ausgaben hat, ist seine Finanzwirtschaft keine Staats-,
sondern föderalistische-vereinsartige Wirtschaft. Die Gründe hierfür
sind folgende:
1. Bei einzelnen Einnahmen und Ausgaben im Reiche nehmen
nicht alle Mitglieder oder nicht alle gleichmäßig teil (z. B. RV. Art.
38 7V, 5277).
2. Gewisse gemeinschaftliche Einnahmen werden unter die einzelnen
Mitglieder verteilt (Ges. vom 15. Juli 1879 § 8; 1. Juli 1881 § 32
und 24. Juni 1887 §F 39).
3. Soweit die Einnahmen des Reichs zur Deckung seiner Ausgaben
nicht ausreichen, ist der hierdurch entstehende Passivsaldo von den
einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer ortsanwesenden Bevölkerung
durch Beiträge aufzubringen, welche bis zur Höhe des budgetmäßigen
Betrages vom Reichskanzler ausgeschrieben werden (RV. Art. 70).
Diese Beiträge werden Matrikularbeiträge genannt. 1) Die Matrikular-
beiträge waren nach RV. Art. 70 nur für solange vorgesehen, als die
Reichssteuern nicht eingeführt sind. Trotz derer späterer Einführung
wurde eine wirtschaftliche Selbständigkeit des Reiches verhindert durch
die sogen. Franckensteinsche Klausel.
Da der Ertrag sämtlicher Zölle und Steuern (RV. Art. 4 Z. 2, 38)
verfassungsmäßig nach Abzug der reichsgesetzlichen Steuerverfügungen
und Ermäßigungen, Rückerstattung, Erhebungs= und Verwaltungskosten
in die Reichskasse fließt, würden die Einnahmen des Reichs an sich
so bedeutend geworden sein, daß damit die Ausgaben des Reichs hätten
1) Die vielfach erörterte Unbilligkeit dieser Steuer liegt darin, daß sie ohne
Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage des Einzelstaats nur die Kopfzahl der Be-
völkerung entscheidend sein läßt. Dadurch wird von wirtschaftlich armen Gegenden
(Thüringen, Lippe) diese Steuer viel härter empfunden als von reichen Gegenden
(Hamburg).
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