132 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches.
sämtlich gedeckt und infolge dessen auch von einer Erhebung der Matrikular=
beiträge hätte Abstand genommen werden können. Bei Eintritt eines
derartigen Zustandes glaubte sich der Reichstag in seinem parlamentari-
schen Budgetrecht bedroht, da ihm die alljährliche Festsetzung der von
den einzelnen Bundesstaaten zu entrichtenden Matrikularbeiträge zusteht.
Ferner glaubte man im Interesse der Erhaltung der verfassungsmäßigen
Gestaltung des Reichs und zwecks Sicherung des Anteils der Bundes-
staaten an den erhöhten Steuereinnahmen den Wegfall der Matrikular-
beiträge verhindern zu müssen.
Deshalb sollten nach der Franckensteinschen Klausel der Ertrag
der Zölle und der Tabaksteuer über 130 000 000 Mk. pro Jahr und
nach späterer Bestimmung der Reinertrag der Börsen= und Branntwein-
steuer den einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer matrikular-
mäßigen Bevölkerung überwiesen werden (Ges. vom 15. Juli 1879 § 8,
vom 1. Juli 1881 § 32 und vom 24. Juni 1887 § 39). Daneben
blieb aber die Pflicht zur Zahlung etwaiger Matrikularbeiträge be-
stehen. Die Abrechnung geschieht nicht im Wege der Ein= und Aus-
zahlungen, sondern im Wege der Verrechnung der gegenseitigen An-
sprüche. Im einzelnen ist das Verfahren folgendes: Die Erhebung
der Zölle und Steuern findet durch die Einzelstaaten statt. Nach dem
Gesamtertrag berechnet das Reichsschatzamt die den Einzelstaaten zu
überweisenden Beträge, welche dann von den Matrikularbeiträgen, oder
umgekehrt diese von jenen in Abzug kommen.
Da die Überweisungen meist die Matrikularbeiträge überstiegen, so
war ein sehr großes Anwachsen der Reichsschuld die Folge. Behufs
Verminderung dieser wurde die Franckensteinsche Klausel durch Gesetz
vom 16. April 1896 (RG#Bl. S. 103, Lex Lieber) dahin abgeändert:
Übersteigen im Etatsjahre 1896/97 die den Bundesstaaten zustehenden
Überweisungen aus den Erträgen an Zöllen, Tabaksteuer, Branntwein-
verbrauchsabgabe und Zuschlag zu derselben, sowie an Reichsstempel-
abgaben für Wertpapiere 2c. die aufzubringenden Matrikularbeiträge,
so ist die Hälfte des ÜUberschusses zur Verminderung der Reichsschuld
zurückzuhalten. Außerdem wird die Summe, welche gemäß § 8 des
Zolltarifgesetzes vom 15. Juli 1879 (REBl. S. 207) der Reichskasse
von dem Ertrage der Zölle und Tabaksteuer verbleibt, für das Etats-
jahr 1895/96 behufs Verminderung der Reichsschuld von 130 000 000 Mk.
auf 143 000 000 Mk. erhöht. Eine weitere Abänderung der Lex
Franckenstein erfolgte durch die Lex Stengel (Ges. betreffend Ande-
rungen im Finanzwesen des Reichs) vom 14. Mai 1904 (RGl.
S. 169). Danach wird die Vorschrift über die Überweisung eines
Teiles des Ertrages der Zölle und der Tabaksteuer an die Bundes-
staaten ausgehoben. Unter Abänderung des Art. 70 der NV. dienen
etwaige Überschüsse aus den Vorjahren, insoweit durch das Gesetz über
den Reichshaushaltsetat nicht ein anderes bestimmt wird, zur Deckung
gemeinschaftlicher außerordentlicher Ausgaben. Dieses Gesetz ist mit
Wirkung vom 1. April 1904 in Kraft getreten. Durch die Lex Stengel
wird ein fester Bargrundstock in der Reichskasse geschaffen. Die
Wirkung und Bedeutung der Lex Stengel für das finanzielle Ver-