Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

158 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
1. bezüglich der Privatbahnen, daß dem Reichseisenbahnamt 
dieselben Befugnisse zustehen, welche den Aussichtsbehörden der be- 
treffenden Bundesstaaten beigelegt sind. Zwangsmaßregeln sind aber 
durch Vermittlung der Eisenbahnaufsichtsbehörden der einzelnen 
Staaten zu veranlassen. Da dies in Preußen der Minister der 
öffentlichen Arbeiten ist, so ist dessen Vermittlung den Privatbahnen 
gegenüber erforderlich; 
2. bezüglich der Staatsbahnen, daß dieselben zur Erfüllung 
ihrer Verpflichtungen auf verfassungsmäßigem Wege anzuhalten sind. 
Es ist daher das Reichseisenbahnamt nicht befugt, den Staatseisenbahnen 
gegenüber Zwangsmaßregeln zu ergreifen; vielmehr ist die Angelegenheit 
der Beschlußfassung des Bundesrats vorzulegen, welcher seinerseits das 
Weitere zu veranlassen eventl. die Bundesexekution zu beschließen hat; 
3. bezüglich der Reichsbahnen in Elsaß-Lothringen bringt der 
Reichskanzler die Verfügungen des Reichseisenbahnamts zum Vollzuge. 
Durch das Reichseisenbahnamt ist das Verhältnis der Eisenbahnen 
zur Militär-, Telegraphen= und Postverwaltung geregelt und eine 
Einigung bezüglich des internationalen Frachtrechts erzielt worden. 
Durch den Vertrag über den internationalen Eisen- 
bahnfrachtverkehr vom 14. Oktober 1890 (RGBl. 1892 
S. 793 ff.) ist zwischen Deutschland, Osterreich-Ungarn, Italien, Frank- 
reich, Rußland, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und der Schweiz 
ein einheitliches Recht für alle Eisenbahntransporte geschaffen worden ½), 
welche zwischen den genannten Staaten auf direkte Frachtbriefe be- 
fördert werden. Im übrigen stimmen die Rechtsnormen im wesent- 
lichen überein mit dem in Deutschland gültigen Eisenbahnfrachtrecht. 
Letzteres ist jetzt reichsgesetzlich geregelt durch das Deutsche Handels- 
gesetzbuch vom 10. Mai 1897 8§8 453 ff. 
Für den Verkehr mit dem Publikum — Personen= und Fracht- 
beförderung — ist jetzt für sämtliche Bahnen Deutschlands maßgebend die 
Eisenbahnverkehrsordnung vom 26. Oktober 1899 (RGBl. 
S. 557), deren Anlage B.4 abgeändert worden ist durch die Bek. 
vom 2. Juli 1900 (REl. S. 318), vom 30. Mai 1901 (RGBl. 
S. 191), vom 25. Nov. 1901 (RGl. S. 491), vom 30. Januar 
1902 (REBl. S. 41), vom 22. März 1902 (RGl. S. 127), vom 
23. Nov. 1902 (RGl. S. 281), vom 7. Dez. 1902 (RGl. S. 294); 
§ 42 der Verkehrsordnung selbst ist abgeändert durch die Bek. vom 
18. Juni 1902 (RGBl. S. 236). 
Die vorerwähnte Eisenbahnverkehrsordnung behandelt in 8 Ab- 
schnitten, nachdem in den beiden ersten Eingangs= und Allgemeine 
Bestimmungen vorausgeschickt sind, Beförderung von Personen (III), 
  
  
  
1) Das Ubereinkommen gilt in den beteiligten Staaten mit Gesetzeskraft, ist 
deshalb auch dem deutschen Reichstage zur Annahme vorgelegt und von ihm und 
dem Bundesrate genehmigt worden. Mit dem 1. Januar 1893 ist es in Kraft 
getreten, seine Dauer beträgt 3 Jahre, deren Verlängerung auf den gleichen Zeit- 
raum erfolgt, wenn nicht ein Jahr vor Ablauf gekündigt wird. Zur Wahrung 
der gemeinsamen Interessen der Vertragsstaaten ist in Bern ein eigenes Eisenbahn- 
zentralamt eingesetzt. Vgl. Cosak, Handelsr. § 85 unter Nr. 3.
	        
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