§ 75. II. Allgemeine Bestimmungen. 171
der Gewerbebetrieb der Auswanderungsunternehmer und Auswanderungs-
agenten, der Versicherungsunternehmer und der Eisenbahnunternehmungen,
die Befugnis zum Halten öffentlicher Fähren und die Rechtsverhältnisse
der Schiffsmannschaften auf den Seeschiffen. Auf das Bergwesen, die-
Ausübung der Heilkunde, den Verkauf von Arzneimitteln, den Vertrieb
von Lotterielosen und die Viehzucht findet die GO. nur in so weit An-
wendung, als sie ausdrückliche Bestimmungen darüber enthält.
Auch das sonstige Reichsrecht enthält keine Begriffsbestimmung.
Maßgebend ist daher die Verkehrsauffassung. Nach dieser wird unter
dem Begriffe „Gewerbe“ jede gleichmäßig fortgesetzte, auf
Gewinn gerichtete selbständige Tätigkeit verstanden, d. h.
eine Tätigkeit, die den Entschluß erkennen läßt, dieselben Gewerbs-
handlungen zum Zwecke der Gewinnerzielung zu wiederholen (KG. E.
Bd. 3 S. 281; Bd. 10 S. 188; 11 S. 244; 12 S. 198; 16
S. 316; sowie RG. E. in Zivils. Bd. 39 S. 137).
Nicht erforderlich ist, daß die Absicht besteht, dauernd den Lebens-
unterhalt zu gewinnen (OTr. E. vom 2. März 1871 Ml. S. 151;
RG. Rechtspr. 1, 390 vom 25. Februar 80), oder daß der Unter-
nehmer der gewerblichen Tätigkeit seinen eigenen persönlichen Zweck-
fördern will (OVG. vom 17. Dezember 1901 PV. Bl. 24 S. 168).
Nicht zum Gewerbe gehören die Land= und Forstwirtschaft,
und zwar weder die Haupt= noch die Nebenbetriebe (RG. E. in Zivilf.
1, 265; in Strafs. Bd. 18, 371), der Garten= und Weinbau, voraus-
gesetzt, daß die selbstgewonnenen Rohstoffe nicht regelmäßig durch Zukauf
ergänzt werden. Landschaftsgärtnereien fallen nicht unter die GO.,
wohl aber Handelsgärtnereien.
Mangels jeder Gewinnabsicht schließt den Gewerbebegriff aus z. B.
Verteilung von Bibeln, welche unentgeltlich oder gegen eine nur die
Anschaffungskosten deckende Vergütung erfolgt. Anderseits kommt es.
nicht auf den Gewinn und dessen Höhe an; gleichgültig ist auch der
Verwendungszweck; die Absicht, den Gewinn zu gemeinnützigen Zwecken
zu verwenden, schließt den Begriff nicht aus.
Mangels vorhandener Gewinnabsicht fällt nicht unter die GO. die
Berufstätigkeit der Beamten (OVG. 15, 45 vom 1. April 1887), der
Geistlichen, Rechtsanwälte und Notare, desgl. die Erteilung von Unter-
richt, Ausübung freier Künste (mit Ausnahme der Schauspiel-
unternehmer § 32), R. in Zivilf. 39, 137 vom 30. September 1897.
Der Staat kann durch rein fiskalische oder überwiegend fiskalische
Tätigkeit ein Gewerbe betreiben, z. B. Eisenbahnunternehmen. Das-
selbe gilt für Gemeinden vgl. pr. KA#G. § 3. Überwiegt jedoch das.
öffentliche Interesse bei einer solchen Veranstaltung, so liegt kein
Gewerbebetrieb vor, z. B. Gemeindesparkasse, öffentliches Leihhaus.
B. Grundsatz der Gewerbefreiheit.
Dieser findet sich ausgesprochen in § 1 GO., welcher lautet: Der
Betrieb eines Gewerbes ist jedermann gestattet, soweit nicht durch.
dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zu-
gelassen sind.