§ 76. III. Stehender Gewerbebetrieb. 197
wurden noch dadurch verschärft, daß auf Grund des Bundesratsbeschlusses
vom 2. Juli 1891 (Veröffentl. des Kaiserl. Gesundheitamts 1891
S. 456 und 604) in den einzelnen Bundesstaaten gleichlautende Vor-
schriften über die Abgabe stark wirkender Arzneimittel, sowie über die
Beschaffenheit und Bezeichnung der Arzneigläser und Standgefäße in
den Apotheken erlassen wurden.
Die letztgenannten landesrechtlichen Vorschriften beziehen sich auf
den Handel mit Giften nur soweit, als sie zu Heilzwecken dienen; der
Handel mit Giften, die daneben auch eine technische Verwendung
finden, oder die ausschließlich zu technischen Zwecken gebraucht
werden, wird dadurch nicht berührt. Die einzige für das ganze Reich
maßgebende Bestimmung in betreff dieser Gifte ist in 8 56 Abs. 2
Ziff. 9 der GO. enthalten, durch welchen Gifte und gifthaltige
Waren von dem Verkauf und dem Feilbieten im Umherziehen aus-
geschlossen sind; der stehende Gewerbebetrieb wird durch diese Be-
stimmung nicht getroffen.
Im § 34 Abs. 3 GO. ist den Bundesregierungen die Befugnis
eingeräumt worden, den Gifthandel auf dem Wege der Landesgesetz-
gebung für genehmigungsbedürftig zu erklären; dies ist in den meisten
Bundesstaaten geschehen, und außerdem der Gifthandel durch landes-
polizeiliche Vorschriften geregelt worden.
Die in den einzelnen Bundesstaaten geltenden Bestimmungen zeigen
indessen große Abweichungen und Verschiedenheiten. In Preußen, wo
die Regelung des Gifthandels durch die Landespolizeibehörden erfolgt,
besteht sogar in den einzelnen Landesteilen ein verschiedener Rechts-
zustand. Im Interesse einer einheitlichen Regelung des Handels mit
Giften hat der Bundesrat unter dem 29. November 1894 einen Ent-
wurf von Vorschriften, betreffend den Handel mit Giften, erlassen und
die Bundesregierungen ersucht, gleichförmige Bestimmungen nach Maß-
gabe des Entwurfes zu erlassen.
Diese neuen Vorschriften enthalten im allgemeinen keine neuen
Einschränkungen für den Gifthandel, sie suchen vielmehr die zur Zeit
in den einzelnen Gebieten bestehenden Verschiedenheiten der Rechtslage
auszugleichen und die im medizinalpolizeilichen Interesse erforderlichen
Beschränkungen mit den Bedürfnissen des Verkehrs in Einklang zu
bringen.
Unter den Einzelvorschriften sind hervorzuheben die grundlegenden
Bestimmungen des § 1 über das Anwendungsgebiet der erlassenen
Vorschriften. Danach beziehen sich dieselben nur auf den gewerbs-
mäßigen Handel mit Giften, treffen diesen aber in seiner ganzen Aus-
dehnung. Sie finden demgemäß, soweit nicht Ausnahmen vorgesehen
sind, sowohl auf den Großhandel, als auf den Kleinhandel Anwendung,
gleichviel ob derselbe sich in Apotheken, Fabriken oder anderen Ge-
werbebetrieben abwickelt. Auf die Verarbeitung von Giften in
technischen Betrieben beziehen sie sich dagegen nicht und auf die Her-
stellung von Giften nur soweit, als mit der Herstellung gleichzeitig
ein gewerbsmäßiger Vertrieb der Gifte verbunden ist.