10 1. Buch. 1. Abschnitt. Staatsrechtliche Grundlagen.
2. Die Patrimonialtheorie geht aus von dem Eigentum der
herrschenden Kaste am Grund und Boden. Danach erklärt Karl Lud-
wig v. Haller, geboren 1768 in Bern, gestorben 1854 in Solothurn,
in seiner „Restauration der Staatswissenschaft" die Souveränität
für ein Privateigentum des Fürsten, neben welchem es nur hergebrachte
Rechte der Untertanen gebe.
3. Die patriarchalische Theorie läßt den Staat aus der stufenweisen
Entwicklung der Familie zum Geschlecht, Stamm und Volk entstehen
(Friedrich Ernst Daniel Schleiermacher 1768—1834 vertritt diese
Theorie). Z„
4. Theorie der übermacht. Der Staat beruht auf Vergewaltigung,
dem Rechte des Stärkeren.
5. Religions= oder Offenbarungstheorie. Nach dieser ist der Staat
Ausfluß des göttlichen Willens, eine göttliche Stiftung. Diese Theorie
wird vertreten von Baruch Spinoza (1632—1677 in seinem „trac-
zatus politicus“), von allen Legitimisten und von dem Theologen
Stahl.
b B. Rationelle Theorien.
1. Die Vertragstheorie. Die Hauptvertreter dieser Theorie sind
Pufendorf und J. J. Rousseau (1712—1778) in seinem Werk „le
Contrat social“.
Pufendorf nimmt drei Staatsgrundverträge an: pactum conven-
tionis, wodurch die Bewohner eines Gebiets zum Staat zusammen-
treten, constitutionis, worin sie die Regierungsform feststellen, und
eurtisms, wodurch sie sich als Untertanen dem Herrscher unter-
werfen.
Rousseau kennt nur „einen“ Staatsvertrag „contrat social“. Die
Menschen in einem Gebiet schließen sich mit all' ihren Rechten zu
einem Verein zusammen, welcher dadurch, daß er in Tätigkeit tritt,
souverän wird. Folglich sei der Souverän mit dem Untertan identisch
und eine Anderung der Regierungsform jederzeit durch den Mehrheits-
willen des Volkes (suffrage universel) oder seiner Mandatare
(assemblée constituante) zulässig.
In England wurde die Vertragstheorie acceptiert von Locke (1632
bis 1704).
2. Die Vernunfttheorie. Die Philosophie von Kant (1724—1804)
und Hegel findet im Staat ein „notwendiges“ Postulat der Sittlichkeit
bezw. Vernunft. Der Staat ist sich Selbstzweck. Sein Ziel ist der
Rechtsstaat, in welchem das Gesetz herrscht. Dagegen behauptet Fichte
einen relativen Zweck des Staates, der auf Grund eines allgemeinen
Bürgervertrages zur gegenseitigen Sicherung des Erwerbes diene.
§ 4. Die Staatszwecke.
Über die Zwecke des Staates, seine Aufgabe und die Grundsätze,
von denen die Einrichtungen im Staate beherrscht werden sollen, haben
sich mehrere Theorien gebildet: «
1. Die Wohlfahrtstheorie, Eudämonismus. Zweck des Staates
ist das allgemeine Wohl, dem sich der einzelne unterordnen und fügen