Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

§ 80. VII. Innungen, Innungsausschüsse, Handwerkskammern 2c. 215 
durch die Novellen zur GO. vom 23. April 1886 und 6. Juli 
1887, von denen die erste den Innungsverbänden zur Verstärkung ihrer- 
Wirksamkeit namentlich auf dem Gebiete des Hilfskassenwesens die Er- 
langung der Korporationsrechte zugänglich machte, und die letztere Be- 
stimmungen traf, nach denen den Innungen unter gewissen Voraus- 
setzungen die Befugnis eingeräumt werden kann, zur Bestreitung der 
Kosten einzelner von ihnen getroffenen Einrichtungen auch die ihnen 
nicht beigetretenen Gewerbetreibenden heranzuziehen. (Begr.) 
Nach diesem Entwicklungsgange ist im wesentlichen die Organisation 
der Innungen von dem Boden der Freiwilligkeit losgelöst und auf 
der Grundlage des Zwanges nunmehr aufgebaut. 
Eine Fortentwicklung derjenigen Maßnahmen welche zur Stärkung 
der Organisation des Handwerks dienen sollen, bezweckt auch die 
Novelle vom 26. Juli 1897. Die Abänderungen betreffen, abge- 
sehen von einigen Ergänzungen und Anderungen des Titels X (Straf- 
bestimmungen), vornehmlich den Titel VI (Innungen von Gewerbe- 
treibenden) und den Titel VII Abschnitt III (Lehrlingsverhältnisse). 
Wegen der Wichtigkeit des Lehrlingswesens für die Vorbildung des 
Handwerkstandes ist das Lehrlingswesen neu geregelt worden in den 
88 126—1323. Ferner ist der Schutz des Meistertitels eingeführt, 
§ 133. Die vielfach angestrebte Einführung des Befähigungsnachweises 
ist dagegen grundsätzlich abgelehnt worden (Begr. 39—54). 
B. Inhalt des Titels. 
I. Innungen. 
a) Allgemeine Vorschriften. 
Begriff der Innungen. Dieselben sind freiwillige korporative Ver- 
einigungen selbständiger Gewerbetreibender zur Förderung gemeinsamer 
gewerblicher Interessen mit einer durch das Gesetz (§ 83 f.) besonders 
geregelten Verfassung. 
Notwendige Aufgaben der Innungen sind: Pffege des 
Gemeingeistes, sowie die Aufrechterhaltung und Stärkung der Standes- 
ehre unter den Innungsmitgliedern, die Förderung eines gedeihlichen 
Verhältnisses zwischen Meistern und Gesellen (Gehülfen), sowie die 
Fürsorge für das Herbergswesen und den Arbeitsnachweis, die nähere 
Regelung des Lehrlingswesens und die Fürsorge für die technische, 
gewerbliche und sittliche Ausbildung der Lehrlinge, die Entscheidung 
von Streitigkeiten der im § 4 des Gewerbegerichtsgesetzes nach der 
Novelle vom 30. Juni 1901 (RGBl. S. 353) und im § 53a des 
Krankenversicherungsgesetzes (RGBl. 1892 S. 379) bezeichneten Art 
zwischen den Innungsmitgliedern und ihren Lehrlingen (8§ 8la). 
Die Nichterfüllung der vorstehenden obligatorischen Aufgaben kann 
nach wiederholter Aufforderung die Schließung der Innung zur Folge 
haben (6 87 und für Zwangsinnungen § 100t Abs. 6). 
Als freiwillige Aufgaben der Innung sind im § 81b zu- 
gelassen, jedoch müssen die Aufgaben im Statut bezeichnet sein (§ 83 
Ziff. 2) und finden ihre Grenze in dem gesetzlichen Zwecke der Innung, 
gemeinsame gewerbliche Zwecke zu verfolgen: Ausdehnung der Innungs- 
 
	        
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