222 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches.
Befugnisse der Innungsversammlung.
Die Innungsversammlung beschließt über alle Angelegenheiten der
Innung, deren Wahrnehmung nicht nach Vorschrift des Gesetzes oder
des Statuts dem Vorstand obliegt. (8 93 Abs. 1.)
Der Innungsversammlung sind gewisse Geschäfte ausschließlich vor-
behalten. Diese werden im 8 93 Abs. 2 einzeln aufgezählt. Es
sind dies folgende: Feststellung des Haushaltsplans, Prüfung und
Abnahme der Jahresrechnung, Bewilligung von außeretatsmäßigen
Ausgaben, Verfolgung von Regreßansprüchen gegen Vorstandsmitglieder
und deren Beauftragte, Erlaß von Vorschriften über das Lehrlings-
wesen, Beschlußfassung über Immobilienerwerb, -veräußerung, belastung,
Aufnahme von Anleihen, Veräußerung von Antiquitäten, Statuten-
änderung, Errichtung und Abänderung von Nebenstatuten, Auflösung
der Innung. Ferner ist die Innungsversammlung Wahlkörper für
Innungsschiedsgerichte, Prüfungsausschüsse.
Über die Innungsschiedsgerichte bestimmt das Gesetz in § 91,
daß sie mindestens aus einem Vorsitzenden und Beisitzern bestehen
müssen. Die Beisitzer und deren Stellvertreter sind zur Hälfte aus
den Innungsmitgliedern, zur Hälfte aus den bei ihnen beschäftigten
Gesellen (Gehilfen) und Arbeitern zu entnehmen. Die ersteren sind von
der Innungsversammlung, die letzteren von den Gesellen (Gehilfen)
und Arbeitern zu wählen. Der Vorsitzende wird von der Ausfsichts-
behörde bestimmt; er braucht der Innung nicht anzugehören.
Das Verfahren soll nach Möglichkeit beschleunigt werden. Deshalb
soll die Abhaltung des Termins innerhalb 8 Tagen nach Einreichung der
Klage erfolgen. Wird die achttägige Frist nicht innegehalten, so kann
der Kläger statt des Innungsgerichts an die Gewerbegerichte oder, wo
diese nicht bestehen, an die ordentlichen Gerichte sich wenden. Die
Entscheidungen sind schriftlich abzufassen; sie gehen in Rechtskraft über,
wenn nicht binnen einer Notfrist von einem Monat eine Partei bei
dem ordentlichen Gericht Klage erhebt. Die Frist beginnt gegen eine
bei der Verkündung nicht anwesende Partei mit der Behändigung der
Entscheidung.
Aus geschlossenen Vergleichen vor der Innung oder dem Innungs-
schiedsgericht findet die Zwangsvollstreckung statt.
Die Entscheidungen sind von Amts wegen für vorläufig vollstreckbar
zu erklären, wenn die Streitigkeit den Antritt, die Fortsetzung oder die
Auflösung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Aushändigung oder
den Inhalt des Arbeitsbuchs, Zeugnisses, Lohnbuchs, Arbeitszettels
oder Lohnzahlungsbuchs betrifft (S§ 41 des Gewerbegerichtsgesetzes), oder
der Gegenstand der Verurteilung den Betrag von 100 M. nicht über-
steigt. Die Vollstreckung erfolgt auf Antrag der Partei auf Ersuchen
der Innung oder des Innungsschiedsgerichts durch die Polizeibehörde
nach Maßgabe der Vorschriften über das Verwaltungszwangsverfahren,
und wo ein solches Verfahren nicht besteht, finden die Bestimmungen
der 8PO. über die Zwangsvollstreckung Anwendung. Für Preußen
sind für das Verwaltungszwangsverfahren maßgebend LVG. 88 132ff.