Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

238 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
b) auf Strafen wegen Verletzung der Arbeitsordnung, 
R) zwecks Tilgung eines schon bestehenden Anspruchs. Man hat 
zwar behauptet, weil nach bürgerlichem Recht (§ 394 BGB.) die Auf- 
rechnung gegen die Forderung nicht stattfindet, soweit eine Forderung 
der Pfändung nicht unterworfen ist, auch das Zurückbehaltungsrecht 
aus §§ 273, 274 BG#B., weil dieses materiell der Aufrechnung gleich 
steht und zu demselben Ergebnis führt, dem Anspruch aus unpfändbarer 
Forderung gegenüber versagt. Dieser Behauptung muß jedoch wider- 
sprochen werden. Denn Aufrichnung und Zurückhaltungsrecht sind wohl 
voneinander zu unterscheiden, da Voraussetzung und Wirkung verschieden 
sind. Nach § 273 Abs. 1 ist das Zurückhaltungsrecht nur im Falle 
des Abs. 2 und allgemein ausgeschlossen, wenn die Ausschließung sich 
aus dem Schuldverhältnis ergibt, z. B. weil der Schuldner vorzuleisten 
hat. Ein derartiges Gebot enthält aber das Pfändungsverbot, das 
nur den Gläubiger bestimmter Forderungen gegen den Zugriff anderer 
schützen soll, nicht. Es steht deshalb der Zurückbehaltung das Pfändungs- 
verbot nicht entgegen. (Vgl. Dernburg, BR. Bd. 2 § 59, § 128 
unter II, 4; Pappenheim in DJZ. 1902 S. 86; Crome, BR. Bd. 1 
§ 124, Bd. 2 § 192 Anm. 40; Rehbein BR. Bd. 2 Anm. 33 zu 
88 387—396 S. 361.) Praktisch ergibt sich danach das Resultat, 
daß ein Arbeitgeber, welcher vom Arbeitsnehmer für vorsätzliche oder 
fahrlässige Beschädigung von Maschinen, Arbeitsgerät, Arbeitsmaterial, 
Entwendung oder Unterschlagung Wertersatz zu fordern hat, ein Zurück- 
behaltungsrecht an dem Arbeitslohn geltend zu machen befugt ist. 
Abgesehen von den Bestimmungen zum Schutze der Erhaltung der 
wirtschaftlichen Existenz der Arbeiter trifft das Gesetz auch Maß- 
nahmen zur Besserung der Erziehung und Ausbildung 
des gewerblichen Nachwuchses. Zu diesem Zwecke werden die 
Gewerbeunternehmer verpflichtet, ihren Arbeitern unter 18 Jahren, 
welche eine von der Gemeindebehörde oder vom Staate als Fort- 
bildungsschule anerkannte Unterrichtsanstalt besuchen, hierzu die 
erforderlichenfalls von der zuständigen Behörde festzusetzende Zeit zu 
gewähren. Am Sonntage darf jedoch der Unterricht nur stattfinden, 
wenn die Unterrichtsstunden so gelegt werden, daß die Schüler nicht 
gehindert werden, den Hauptgottesdienst oder einen mit Genehmigung 
der kirchlichen Behörden für sie eingerichteten besonderen Gottesdienst 
ihrer Konfession zu besuchen. 
Bezüglich der von dem Unternehmer zum Schutze der Arbeiter gegen 
Gefahren für Leben, Gesundheit und Sittlichkeit zu treffenden Ein- 
richtungen sind eine Reihe von Vorschriften in den S§ 120 a-e 
getroffen. Das Gesetz ordnet an: 
a) Im Interesse von Leben und Gesundheit der Arbeiter möglichst 
gefahrlose Einrichtung, Unterhaltung der Arbeitsräume, Betriebs- 
vorrichtungen, Maschinen und Gerätschaften, insbesondere Vorkehr für 
genügendes Licht, ausreichenden Luftraum und Luftwechsel, für Beseitigung 
des bei dem Betriebe entstehenden Staubes, der dabei entwickelten 
Dünste und Gase und etwaigen Abfälle.
	        
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