Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

5 81. VIII. Gewerbliche Arbeiter (Gesellen, Gehülfen 2c.). 239 
Ebenso sind diejenigen Vorrichtungen herzustellen, welche zum Schutze 
der Arbeiter gegen gefährliche Berührungen mit Maschinen oder 
Maschinenteilen oder gegen andere in der Natur der Betriebsstätte 
oder des Betriebes liegende Gefahren, namentlich auch gegen die 
Gefahren, welche aus Fabrikbränden erwachsen können, erforderlich sind. 
Endlich sind diejenigen Vorschriften über die Ordnung und das 
Verhalten der Arbeiter zu erlassen, welche zur Sicherung eines gefahr- 
losen Betriebes erforderlich sind (§ 120 a). 
b) Im Interesse der guten Sitten und des Anstandes diesbezügliche 
Einrichtungen und Anordnungen, insbesondere Trennung der Geschlechter 
bei der Arbeit, bei dem An= und Auskleiden und bezüglich der Waschräume, 
Einrichtung von Bedürfnisanstalten in einer der Zahl der Arbeiter, 
den Anforderungen der Gesundheitspflege, von Sitte und Anstand ent- 
sprechenden Weise. Besonders betont wird die Innehaltung vor- 
stehender Verpflichtung für Gewerbeunternehmer, welche Arbeiter unter 
18 Jahren beschäftigen, da gerade bei diesen Arbeitern sowohl die 
körperliche, als auch die sittliche Entwicklung noch nicht als abge- 
schlossen gilt. 
Die Durchführung vorstehender Maßnahmen kann polizeilich er- 
zwungen werden. Nach § 120d sind die zuständigen Polizeibehörden 
(in Preußen Ortspolizei) befugt, im Wege der Verfügung für einzelne 
Anlagen die Ausführung der im vorstehenden näher bezeichneten Maß- 
nahmen anzuordnen. Gegen die Verfügung der Polizeibehörde steht 
binnen 2 Wochen die Beschwerde an die höhere Verwaltungsbehörde 
(in Preußen Reg.-Präsident, für Berlin Oberpräsident) und ¾“ deren 
Entscheidung binnen 4 Wochen Beschwerde an die Zentralbehörde zu. 
Ist eine polizeiliche Anordnung erlassen, und wird diese nicht befolgt, 
so kann aus § 147 Abs. 1 Ziff. 4 eine Geldstrafe bis zu 300 M., 
im Unvermögensfalle Haft verhängt werden. Neben den strafrechtlichen 
besteht auch ein umfassender, durch das BG#B. erweiterter zivilrecht- 
licher Schutz des Arbeiters. Dieser zivilrechtliche Schutz erstreckt 
sich nach vier Richtungen: 
a) Auf die künftige Verpflichtung der dem Arbeitgeber in § 120 à 
auferlegten Verpflichtungen kann der Dienstpflichtige aus § 120 a oder 
aus dem Dienstvertrage auf Grund des § 618 Abt. 1 BGB. mit 
Ruchicht auf §§ 258, 259 ZPO. vor den ordentlichen Gerichten 
agen. 
) Erfüllt der Arbeitgeber die ihm in Ansehung des Lebens und 
der Gesundheit der Dienstpflichtigen obliegenden Verpflichtungen nicht, 
so ist er dem geschädigten Dienstpflichtigen wegen Verletzung seiner 
Vertragspflichten nunmehr nach § 618 Abs. 3 BGB. vor den ordent- 
lichen Zivilgerichten schadenersatzpflichtig. Der Umfang der Schaden- 
ersatzpflicht richtet sich nach den Vorschriften, die in dieser Beziehung 
für die unerlaubten Handlungen gelten (88 842—846 BGB.). Ent- 
schädigungsansprüche, welche von dem Arbeiter gegen den Arbeitgeber 
wegen Unterlassung der zur Sicherung der Arbeiter gebotenen Schutz- 
vorrichtungen erhoben werden, gehören vor das ordentliche Zivilgericht, 
nicht vor das Gewerbegericht. RG. Entsch. in Zivils. Bd. 41 S. 136ff.
	        
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