Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

240 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
c) Gesellen und Gehülfen können vor Ablauf der vertragsmäßigen 
Zeit und ohne Aufkündigung die Arbeit verlassen, wenn bei Fortsetzung 
der Arbeit das Leben oder die Gesundheit der Arbeiter einer erweis- 
lichen Gefahr ausgesetzt sein würde, welche bei Eingehung des Arbeits- 
vertrages nicht zu erkennen war (§ 124 Ziff. 5). 
d) Eine zivilrechtliche Haftung tritt auf Grund besonderer reichs- 
gesetzlicher Vorschriften z B. nach § 2 des Reichshaftpflichtges. vom 
7. Juni 1871 (REl. S. 207) und 8 135 des Gewerbeunfall- 
versicherungsgesetzes ein. 
Nach Abs. 3 des § 135 Gl VG. ist für das über den Anspruch 
auf Ersatz des in Folge eines Unfalls erlittenen Schadens erkennende 
ordentliche Gericht die Entscheidung bindend, welche in dem durch das 
GU VWG. geordneten Verfahren über die Frage ergeht, ob ein Unfall 
vorliegt, für welchen aus der Unfallversicherung Entschädigung zu 
gewähren ist. Vgl. hierzu auch RG. Entsch. in Zivils. Bd. 60 S. 36ff. 
II. Verhältnisse der Gesellen und Gehülfen. (§§ 121—125 GO.) 
1. Begriff der Gesellen und Gehülfen. Rechtlich besteht 
zwischen ihnen kein Unterschied, nur tatsächlich unterscheiden sie sich 
voneinander insofern, als Gesellen in der Regel nach zurückgelegter 
Lehrzeit im Handwerk eine technische Vorbildung und mechanische 
Fertigkeit besitzen, während Gehülfen alle unselbständigen gewerblichen 
Arbeiter sind, die nicht Lehrlinge, Betriebsbeamte oder Techniker sind, 
und ohne Rücksicht auf eine etwaige Vorbildung. Der Begriff „Fabrik- 
arbeiter“ umfaßt beide Kategorien, sofern sie in Fabriken tätig sind. 
2. Das Rechtsverhältnis der Gesellen und Gehülfen. 
Die hierüber ergangenen Bestimmungen der GO. regeln das privat- 
rechtliche Verhältnis der Gesellen und Gehülfen nicht erschöpfend, bleiben 
auch nach dem Inkrafttreten des BGB. in Geltung und werden durch 
dessen Bestimmungen (88 612ff.) ergänzt. Soweit die GO. hierüber 
Bestimmungen enthält, finden die Vorschriften des BGB. keine An- 
wendung, dies trifft z. B. zu bei den §§ 621—623 BGB. 
3. Pflichten der Gesellen und Gehülfen. Nach § 121 sind 
die Gesellen und Gehülfen verpflichtet, den Anordnungen der Arbeit- 
geber in Beziehung auf die ihnen übertragenen Arbeiten und auf die 
häuslichen Einrichtungen Folge zu leisten; zu häuslichen Arbeiten sind 
sie nicht verbunden. 
4. Lösung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung. 
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Gesellen oder Gehülfen und 
ihren Arbeitgebern kann, wenn nicht ein anderes verabredet ist, durch 
eine jedem Teile freistehende, vierzehn Tage vorher erklärte Auf- 
kündigung gelöst werden. Werden andere Aufundigungsfristen verein- 
bart, so müssen sie für beide Teile gleich sein. Vereinbarungen, welche 
dieser Bestimmung zuwiderlaufen, sind nichtig (§ 122). . 
Die in Satz 1 des § 122 enthaltenen Vorschriften sind nur dis- 
positiv; sie können daher („wenn nicht ein anderes verabredet ist"“) 
durch Vertrag geändert werden. Zulässig ist daher eine Abrede, 
welche die Kündigungsfrist verkürzt oder verlängert oder ganz beseitigt 
 
	        
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