Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

242 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
Vertreter Handlungen begehen, welche wider die Gesetze oder die guten 
Sitten verstoßen; 
h) wenn sie zur Fortsetzung der Arbeit unfähig oder mit einer ab- 
schreckenden Krankheit behaftet sind. 
Zu vorstehenden Entlassungsgründen ist folgendes noch hervorzu- 
heben: Sie heben nicht ohne weiteres den Vertrag auf, sondern es 
bedarf dazu der Entlassung des Arbeiters auf Grund vorheriger 
Kündigung. Werden vertraglich die sofortigen Entlassungsgründe 
erschöpfend geregelt, so greift S 123 Abs. 1 nicht ein, da die dort 
enthaltenen Vorschriften nur dispositiver Art sind. Es können daher 
die Gründe sofortiger Entlassung sowohl vermindert als vermehrt 
werden, wie dies auch vielfach in den Arbeitsordnungen größerer 
Fabriken geschieht (vgl. § 134b). Gewisse Schranken sind jedoch der 
Vertragsfreiheit auch hier gesetzt: 
a) Zwingend sind die Vorschriften (§ 122) über die für beide 
Teile festzusetzende gleiche Aufkündigungsfrist und über die Unzulässig- 
keit einer Entlassung bei Zurückliegen der Entlassungsgründe des 
§ 123a—ga,, seit länger als eine Woche und Kenntnis hiervon auf 
seiten des Arbeitgebers (§ 123 Abs. 2). 
6) Die Verminderung der Entlassungsgründe ist gebunden an 
§ 124 (an wichtige Gründe) und an § 22 KO. 
7) Als selbstverständlich gilt, daß der Vertrag nicht gegen die 
guten Sitten verstoßen darf. BGB. § 138. Als unsittlich ist z. B. 
vorgängiger Verzicht auf das Recht zur Entlassung aus 8 123g 
angesehen worden. Dagegen ist streitig, ob als Entlassungsgrund der 
Beitritt zu einem bestimmten Verein (Verband) oder das Halten 
bestimmter Zeitungen rechtsgültig vereinbart werden kann. Bejaht 
haben diese Frage Kayser-Steiniger a. a. O. Anm. 3 zu § 123 
S. 374, verneint hat sie Schenkel a. a. O. § 122 Bem. 7. 
Zu den Entlassungsgründen im einzelnen gilt folgendes: 
Zu a) Das Vorzeigen genügt; ob mit Rücksicht hierauf der Vertrags- 
schluß erfolgt ist, ist unerheblich. Bloßes Stillschweigen über das 
bestehende Arbeitsverhältnis ist ausreichender Entlassungsgrund. 
Zu b) Es genügt auch, wenn die strafbare Handlung zum Nachteile 
dritter, nicht nur zu dem des Arbeitgebers begangen ist. Stenographischer 
Bericht zur Novelle 1878 S. 1109. Die Begriffsfeststellung des 
St GB's. ist allein nicht entscheidend, auch landesgesetzliche Straf- 
bestimmungen kommen in Betracht, z. B. die über den Forstdiebstahl. 
Strafrechtliche Verurteilung ist nicht erforderlich. Zum liederlichen 
Lebenswandel gehört auch wiederholte Trunkenheit. Stenographischer 
Bericht zur Novelle 1878 S. 1109. Die strafbaren Handlungen 
müssen während des Arbeitsverhältnisses, nicht vorher, begangen sein. 
Zu c) Unter „unbefugtem Verlassen der Arbeit“" ist die definitive 
Aufgabe derselben zu verstehen, welche gleichzeitig eine bewußte Pflicht- 
widrigkeit enthält. Die Nichtleistung der Arbeit während der Zeit, 
in der die Vertreter der Versicherten Obliegenheiten der Unfall= und 
Invalidenversicherung wahrnehmen, berechtigt den Arbeitgeber nicht, 
das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vertragsmäßigen Dauer desselben
	        
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