250 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches.
einem anderen Gewerbe oder anderen Beruf übergehen werde, nach
Ablauf von 4 Wochen;
6) infolge vereinbarter Kündigung oder übereinstimmender Willens-
erklärung des Lehrherrn und Lehrlings;
0) durch behördliche Anordnung gemäß § 144a.
10. Lehrzeugnis. Bei Beendigung des Lehrverhältnisses und nicht nur
bei Beendigung der Lehrzeit hat der Lehrherr dem Lehrling unter Angabe
des Gewerbes, in welchem der Lehrling unterwiesen worden ist, über
die Dauer der Lehrzeit und über die während derselben er-
worbenen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie über sein Be-
tragen ein Zeugnis auszustellen, welches von der Gemeindebehörde
(in Preußen Gemeinde= (Guts)-Vorstand) kosten= und stempelfrei zu
beglaubigen ist (§ 127 Abs. 1).
Streitigkeiten wegen Ausstellung des Lehrzeugnisses entscheiden die
Gewerbegerichte (Gewerbegerichtsgesetz § 4) oder der Gemeindevorsteher
(Gewerbegerichtsgesetz §§ 76ff.) Sofern der Lehrherr einer Innung
angehört, ist diese nach 8 81 a Ziff. 4 zur Entscheidung der Streitig-
keiten berufen (Gewerbegerichtsgesetz 8 84).
Es besteht eine Verpflichtung zur Ausstellung des Lehrzeugnisses.
Verweigerung wird nach § 148 Ziff. 9 bestraft. Die Verpflichtung
besteht nur bei rechtmäßiger Beendigung des Lehrverhältnisses, nicht
bei Entlaufen des Lehrlings. Das Zeugnis ist wahrheitsgemäß
auszustellen, event. kann hierauf geklagt werden.
Die Verpflichtung zur Ausstellung kommt in Wegfall bei Verzicht
und Ausstellung eines Lehrbriefs gemäß § 1270 Abs. 2.
11. Lehrbrief. An Stelle der Lehrzeugnisse treten, wo Innungen
oder andere Vertretungen der Gewerbetreibenden bestehen, die von diesen
ausgestellten Lehrbriefe. Eine Verpflichtung zur Ausstellung der Lehrbriefe
besteht für die Innung nicht. Kommissionsbericht zur Novelle 1897 S. 39.
Gebühren dürfen von der Innung für die Ausstellung gemäß § 88 Abs. 3
erhoben werden. Die Ausstellung der Lehrbriefe erfolgt unabhängig
von der Ablegung der Gesellenprüfung (§8 131 ff.) bei Beendigung
des Lehrverhältnisses.
12. Vertragsbruch des Lehrlings. Das Gesetz trifft besondere
Bestimmung über die gerichtliche, wie polizeiliche Geltendmachung des
Anspruchs des Lehrherrn auf Rückkehr des entlaufenen Lehrlings.
Vorweg muß hierbei bemerkt werden, daß jeder Anspruch auf Rückkehr
wegfällt, wenn der Lehrling wegen Mißbrauchs der väterlichen Zucht
die Lehre verlassen durfte. OVG. vom 24. November 1890 (PV.
Bl. XII, 326 in v. Kamptz, IV S. 191).
Nach 8 127d ist sowohl die Inanspruchnahme der Polizei zur Zurück-
führung des Lehrlings, als auch die gerichtliche Klage auf Rückkehr des
Lehrlings von dem schriftlichen Abschluß des Lehrvertrages abhängig.
Für das Einschreiten der Polizei ist Voraussetzung: Wahrung der
einwöchigen Antragsfrist und Nichtvorhandensein einer gerichtlichen
Entscheidung durch Urteil oder einstweilige Verfügung.
Das polizeiliche Einschreiten ist im öffentlichen Interesse zugelassen
zur Beschleunigung. Es bleibt in Kraft, wenn der Erfüllungsklage