§ 83. X. Gewerbegerichte. 271
gangenen Jahre für sich oder ihre Familie Armenunterstützung aus
öffentlichen Mitteln nicht empfangen oder doch die empfangene Unter-
stützung erstattet haben; außerdem ist mindestens zweijährige Wohnung
oder Beschäftigung im Bezirke des Gerichts vorgeschrieben (§ 11).
Vom aktiven und passiven Wahlrecht sind Personen, welche zum Amte
eines Schöffen unfähig sind, damit also auch Frauen, ausgeschlossen;
das aktive Wahlrecht ist ferner an ein Alter von 25 Jahren, sowie
an die gleiche Dauer der Wohnung oder Beschäftigung im Gerichts-
bezirke, wie das passive Wahlrecht geknüpft. Die Beisitzer, welche die
Übernahme ihres Amtes, eines Ehrenamtes, nur aus bestimmten Gründen
ablehnen dürfen, erhalten Vergütung für Reisekosten und Zeitver-
säumnis (§ 20). Ein Mitglied des Gewerbegerichts, welches seine
Amtspflicht gröblich verletzt, kann im Wege des Strafprozesses seines
Amtes entsetzt werden (§ 21). Bei jedem Gewerbegerichte besteht
eine Gerichtsschreiberei.
E. Verfahren vor dem Gewerbegerichte. Der zweite Ab-
schnitt regelt das Verfahren vor dem Gewerbegerichte und zwar im
wesentlichen nach den für das amtsgerichtliche Verfahren geltenden
Vorschriften der Zivilprozeßordnung, jedoch mit einzelnen erheblichen
Abweichungen, die mit Rücksicht auf die Vereinfachung und Beschleunigung
eingeführt sind. Insbesondere gilt der Grundsatz, daß der Betrieb des
Rechtsstreites nicht den Parteien, sondern den Gerichten obliegt, und
daher Ladungen und Zustellungen regelmäßig von Amts wegen er-
folgen. Für letztere sind vereinfachte Formen zugelassen. Der erste
Termin kann ohne Zuziehung der Beisitzer abgehalten werden; beim
Ausbleiben einer Partei ergeht auf Antrag ein Versäumnisurteil;
erscheinen beide Parteien, so darf, wenn nicht ein Vergleich zustande
kommt oder eine Zurücknahme der Klage, ein Verzicht auf den Klage-
anspruch oder ein Anerkenntnis desselben erfolgt, eine Entscheidung
nur ergehen, wenn dieselbe sofort erfolgen kann, und beide Parteien
sie beantragen; andernfalls ist die Verhandlung vor das voll besetzte
Gewerbegericht zu verweisen. Die Vertretung der Parteien durch
Rechtsanwälte und Personen, welche das Verhandeln vor Gericht ge-
schäftsmäßig betreiben, ist unzulässig. Dem Gewerbegericht steht die
Befugnis zur Abnahme von Parteieiden, sowie zur eidlichen Vernehmung
von Zeugen und Sachverständigen zu. Gegen Versäumnisurteile ist
binnen dreitägiger Frist Einspruch zugelassen: Endurteile unterliegen
der Anfechtung nur dann, wenn der Wert des Streitgegenstandes den
Betrag von 100 Mark übersteigt.
Die Anfechtung erfolgt durch Berufung an das Landgericht,
in dessen Bezirke das Gewerbegericht seinen Sitz hat. Dasselbe Gericht
fungiert auch als Beschwerdegericht gegen sonstige Entscheidungen des
Gewerbegerichts. Die Einlegung und Zulässigkeit der Beschwerde
richtet sich nach den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung. Nichtigkeits-
und Restitutionsklage finden unter denselben Voraussetzungen wie bei
einem amtsgerichtlichen Urteile statt.
Aus den Endurteilen der Gewerbegerichte, welche rechtskräftig oder
für vorläufig vollstreckbar erklärt sind, sowie aus den Vergleichen,