Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

282 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
und unterliegen in Gemeinden von mehr als 10 000 Einwohnern der 
Aussicht der Gemeindebehörde, im übrigen der von der Landesregierung 
zu bestimmenden Behörde, in Preußen der des Landrats unter Ober- 
aussicht des Regierungspräsidenten, für Berlin des Oberpräsidenten 
(ogl. Ausf. Anw. vom 10. Juli 1892). 
Jede Kasse hat eine Generalversammlung, die sich auch aus Dele- 
gierten zusammensetzen kann und einen von dieser gewählten Vorstand, 
welcher die Kasse nach außen vertritt. Sowohl in der Generalver- 
sammlung wie in dem Vorstande sind die Arbeitgeber nach Maßgabe 
ihrer Beiträge bis zu einem Drittel der Stimmen vertreten. Das 
Amt der Mitgliedschaft des Vorstandes ist ein Ehrenamt, doch kann 
das Statut eine Entschädigung vorsehen. Eine Ablehnung kann nur 
aus denselben Gründen wie bei der Vormundschaft stattfinden und hat 
Stimmrechtsverlust zur Folge (§ 34). Bei Pflichtwidrigkeit hat die 
Aufsichtsbehörde gegen die schuldigen Vorstandsmitglieder ein Ordnungs- 
strafrecht, auch können behufs Kontrolle die Kassenorgane jederzeit 
berufen werden (§ 45). 
Das Vermögen der Kasse, deren Reservefonds mindestens die Höhe 
der durchschnittlichen Jahresausgabe der letzten drei Jahre zu erreichen 
hat (§ 32), ist mündelsicher anzulegen (§ 40), widrigenfalls die 
Schuldigen, abgesehen von ihrer strafrechtlichen Verfolgung auf Grund 
des § 266 St GB., durch die Aufsichtsbehörde zur Verzinsung der in 
ihrem Nutzen verwandten Gelder mit 8—20 7% herangezogen werden 
(§ 42). übersichten des Kassenstandes und Rechnungsabschlüsse auf 
vorgeschriebenem Formular (Bek. vom 16. November 1892, RBBl. 
S. 67) sind alljährlich einzureichen. Ergibt sich aus diesen die Un- 
zulänglichkeit des Vermögens, so ist die Erhöhung der Beiträge oder 
Herabsetzung der Leistungen in Preußen durch den Regierungspräsi- 
denten (in Berlin Oberpräsidenten) mittels Beschlußfassung der Kasse 
herbeizuführen oder in eiligen Fällen zu verfügen (8 33). 
Ein Verband mehrerer Ortskrankenkassen innerhalb eines Bezirks 
zum gemeinsamen Geschäftsbetrieb ist zulässig und hat nach Genehmigun 
seiner Statuten gleichfalls die Rechte einer juristischen Person (88 Eiffg 
Die freiwillige Auflösung sowie die Schließung einer Kasse, deren Mit- 
gliederzahl dauernd unter 50 sinkt, oder wenn die nötige Deckung der 
nötigen Ausgaben nicht mehr beschafft werden kann, erfolgt in Preußen 
durch Beschluß des Bezirksausschusses (§§ 47, 48). 
5 Die Betriebs-(Fabrik-, Krankenkassen (88§ 59—68). 
Berechtigt zur Errichtung einer Betriebs-(Fabrik-) Krankenkasse ist 
ein Unternehmer, welcher in einem Betriebe oder in mehreren Betrieben 
fünfzig oder mehr dem Krankenversicherungszwange unterliegende Per- 
sonen beschäftigt. Er kann dazu durch Anordnung der höheren Ver- 
waltungsbehörde, in Preußen des Regierungspräsidenten, verpflichtet 
werden, wenn dies von der Gemeinde, in welcher die Beschäftigung 
stattfindet, oder von der Krankenkasse, welcher die beschäftigten Personen 
angehören, beantragt wird. Eine derartige Verpflichtung besteht auch, 
wenn der Betrieb mit besonderer Krankheitsgefahr verbunden ist, bei 
Beschäftigung von weniger als 50 Personen. Im übrigen kann bei 
 
	        
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