20 1. Buch. 2. Abschnitt. Verwaltungsrechtliche Grundlagen.
Zweiter Abschnitt.
Verwaltungsrechtliche Grundlagen.:
8 11. Grundbegriffe.
1. a) Das Wort „Verwalten“ kommt her von „Walten“, d. h.
Gewalt betätigen. Verwaltung im weitesten Sinne umfaßt sämtliche
Funktionen der Staatsgewalt, also Gesetzgebung, Rechtspflege, eigent-
liche Verwaltung. Den Gegensatz dazu bildet die Verfassung.
b) Da Rechtspflege und eigentliche Verwaltung trotz ihrer sonstigen
Verschiedenheit von einem gleichen Prinzip beherrscht werden und „beide
nach Maßgabe des Gesetzes Tatbestände durch obrigkeitliche Aussprüche
(Urteile, Verwaltungsakte) ordnen“, so umfaßt die Verwaltung im
weiteren Sinne neben der eigentlichen Verwaltung auch die Rechts-
pflege und steht im Gegensatz zur Gesetzgebung.
c) Die eigentliche Verwaltung gliedert sich nach den ver-
schiedenartigen Aufgaben, die ihr obliegen, in verschiedene Zweige.
Davon ist die Verwaltung des Innern der Hauptzweig. Des-
halb bildet sie die Verwaltung im engsten Sinne.
2. Die Verwaltung im eigentlichen Sinne steht im Gegensatz zu
Gesetzgebung und Rechtspflege. Während der Staat bei letzteren für
das öffentliche Wohl sorgt durch den Erlaß von Rechtsnormen (daß
jemand etwas tun, lassen oder dulden muß) und dadurch, daß er die
aufgestellten Rechtsnormen im Wege der Rechtspflege zur Durchführung
bringt, handelt es sich bei der eigentlichen Verwaltung um die Wahr-
nehmung von solchen öffentlichen Interessen, die an sich mit der
Rechtsordnung (und deshalb mit Rechtsnormen) nichts zu schaffen
haben (Errichtung von Schulen, Krankenhäusern, Irrenanstalten; Her-
stellung von Wegen, Eisenbahnen, Kanälen; Ausrüstung von Truppen,
Schiffen, Festungen). Das leitende Prinzip der eigentlichen Ver-
waltung ist deshalb nicht Recht und Gerechtigkeit, sondern Notwendig-
keit und Zweckmäßigkeit. Was im konkreten Falle zweckmäßig ist und
deshalb im Interesse des gemeinen Wohls zu geschehen hat, läßt sich
nicht in festen Normen ein für alle Mal festlegen.
3. Wird in einem Staate die Verwaltung lediglich durch Zweck-
mäßigkeitserwägungen bestimmt, so spricht man vom Polizeistaat. Die
Verwaltungsstellen sind hier befugt, im öffentlichen Interesse auch von
den bestehenden Rechtsnormen abzuweichen.?)
Rußland (dritte Abteilung der Kanzlei) war bisher ein Polizeistaat.
4. Den Gegensatz zum Polizeistaat bildet der Rechtsstaat,) d. h.
die Verwaltungsbehörden sind an gewisse rechtliche Schranken und
1) Vgl. B. Hübler, die Organisation der Verwaltung. Berlin, 1898. § 2. S. 7 ff.
O. Mayer, Deutsch. Verwaltungsr. I, 58.
2) Vgl. O. Mayer, Deutsch. Verw. R. I, 45,56.
2) Literatur über den Rechtsstaat: R. v. Mohl, Polizeiwissenschaft nach den
Grundsätzen des Rechtsstaats. 3 Bde. Tübingen 1883. O. Bähr, Rechtsstaat.
Kassel. 1864. R. v. Gneist, Rechtsstaat. Berlin. 1872 (2. Aufl. 1879). O. Mayer,
Deutsch. Verw. R. Leipzig. 1895. I, 38 ff.