Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

310 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
Neunter Titel. 
Die Invaliditäts= und Altersversicherung.)) 
Diese Fürsorgegesetzgebung bildet gewissermaßen den Schlußstein der- 
jenigen gesetzgeberischen Maßnahmen, welche in Verfolg der Kaiserlichen 
Botschaft vom 17. November 1881 zum Schutze der arbeitenden Be- 
völkerung gegen die Folgen schwindender Arbeitskraft infolge Unfalls, 
Krankheit, Alter und Invalidität getroffen sind. 
Die Grundlage dieser Gesetzgebung bildete ursprünglich das In- 
validen= und Altersversicherungsgesetz vom 22. Juni 1889 (RGBl. 
S. 97) und Novelle vom 18. Juni 1891 (RGBl. S. 337). Wichtige 
Anderungen bezüglich der Vermögensgrundlagen wurden notwendig 
und getroffen durch das Invalidenversicherungsgesetz vom 13. Juli 1899 
(Röl. S. 393), dessen neu redigierter Text am 19. Juli 1899 
(RBl. S. 463) bekannt gemacht wurde. Das Invalidenversicherungs- 
gesetz ist am 1. Juni 1900 in Kraft getreten. 
8 95. A. Umfaug der Versicherung. 
I. Gesetzlicher Versicherungszwang. 
Dem gesetzlichen Versicherungszwang unterliegen vom 16. Lebensjahre 
ab ohne Unterschied des Geschlechts und Familienstandes (§ 1 JVG.) 
1. alle Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge oder Dienstboten, 
welche gegen Lohn oder Gehalt beschäftigt werden; 
2. alle Betriebsbeamten, Werkmeister, Techniker, Handlungsgehilfen, 
und -lehrlinge (ausschließlich der in Apotheken beschäftigten Gehilfen 
und Lehrlinge), sonstige Angestellte, deren dienstliche Beschäftigung ihren 
Hauptberuf bildet, sowie Lehrer und Erzieher, — sämtlich, sofern 
sie Lohn oder Gehalt beziehen, ihr regelmäßiger Jahres- 
arbeitsverdienst aber 2000 M. nicht übersteigt, sowie 
3. die gegen Lohn oder Gehalt beschäftigten Personen der Schiffs- 
besatzung deutscher See= und Binnenschiffahrts-Fahrzeuge, Schiffsführer 
bei Jahresgehalt bis zu 2000 M. 
Von der Versicherungspflicht sind hiernach ausgenommen alle die, 
welche nicht dem Arbeiterstande angehören, sondern einer höheren 
geistigen (wissenschaftlichen, künstlerischen) Tätigkeit obliegen, ebenso 
Personen, welche bloß eine uneigennützige Tätigkeit verrichten (barm- 
herzige Schwester usw.). 
II. Ausdehnung des Versicherungszwanges. 
Durch Beschluß des Bundesrats kann der Versicherungszwang 
1. auf Gewerbetreibende und sonstige Betriebsunter- 
nehmer, welche nicht regelmäßig wenigstens einen Lohnarbeiter be- 
schäftigen, sowie 
2. auf Hausgewerbetreibende und zwar ohne Rücksicht auf 
die Zahl ihrer Arbeiter erstreckt werden (§ 2 Abs. 1 JVG.). 
1) Literatur: v. Woedtke, Invalidenvers.-Gesetz. 9. Aufl. Berlin. 1902; Hoff- 
mann, desgl. 4. Aufl. Berlin. 1906; Freund, 2. Aufl. 1900; Isenbart u. Spiel- 
hagen, desgl. Kommentar. 2. Aufl. Berlin. 1903; Weymann, desgl. Berlin. 1901.
	        
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