Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

330 2 Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
8 104. IV. Grundsätze der gesetzlichen Wehrpflicht. 
Die allgemeine Wehrpflicht ist die staatsbürgerliche Pflicht zur Dienst- 
leistung in der bewaffneten Macht. 
Sie dauert vom vollendeten 17. Lebensjahre bis zum vollendeten 
45. Lebensjahre (Ges. vom 11. Februar 1888 Art. II, § 24; Wehr. 
§ 4 Nr. 33 
Befreit sind die Mitglieder der regierenden, mediatisierten, vormals 
reichsständischen und solcher Familien, denen besondere Rechstitel zur 
Seite stehen (§ 1 des KDG.), sowie die vor dem 1. Januar 1851 
geborenen Elsaß-Lothringer (Ges. vom 23. Januar 1872 § 2 RGBl. 
S. 31) und die vor dem 11. August 1890 geborenen Helgoländer 
(Ges. vom 15. Dezember 1890 § 3 RGl. S. 207). 
Die Wehrpflicht kann bei jedem Truppenteile des Reiches ohne 
Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit erfüllt werden. Freiwilligen steht 
die Wahl des Truppenteils frei. 
Die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit deutscher Bundesstaaten 
ist unzulässig für solche Wehrpflichtigen, die im wehrpflichtigen Alter 
stehen und nicht ein Zeugnis der Ersatzkommission darüber erwirken, 
daß sie die Entlassung nicht lediglich in der Absicht, sich der Dienst- 
pflicht im stehenden Heere zu entziehen, beantragen (Wehr O. 8§ 27); ferner 
für Militärpersonen im aktiven Heeresdienst, Reserveoffiziere und Beamten 
vor ihrer Entlassung aus dem Dienst; endlich für die zur Reserve, 
zur Landwehr oder zum Landsturm gehörigen, nicht als Offiziere an- 
gestellten Personen, nachdem sie zum aktiven Dienst einberufen sind 
(§8 15, 17, 19, Ges. vom 1. Juni 1870, § 27 WehrO.). 
Strafbar machen sich Wehrpflichtige, die in der Absicht, sich dem 
Eintritt in den aktiven Heeresdienst zu entziehen, ohne Erlaubnis das 
Bundesgebiet verlassen oder nach Erreichung des militärpflichtigen 
Alters sich außerhalb dieses Gebietes aufhalten, oder die sich vor- 
sätzlich durch Selbstverstümmelung oder sonstwie zur Erfüllung der 
Wehrpflicht untauglich machen oder, in der Absicht, sich dieser Erfüllung 
zu entziehen, auf Täuschung berechnete Mittel, z. B. wissentlich un- 
begründete Angaben, wissentlich unwahres Vorschützen von Befreiungs- 
gründen, anwenden (StGB. 8§ 140—143, § 360 Nr. 3). · 
Die Wehrpflicht gliedert sich in die Dienstpflicht, Landsturmpflich 
und spezielle Militärpflicht. 
Die Dienstpflicht umfaßt die Verpflichtung zum Dienst im Heere oder 
in der Marine; ihre Dauer erstreckt sich vom vollendeten 20. Lebens- 
jahre bis zum 31. März des Kalenderjahres, in dem der Dienstpflichtige 
sein 39. Lebensjahr vollendet. Allgemeine Voraussetzungen sind körper- 
liche und geistige Gesundheit und ungeschmälerte bürgerliche Ehre. 
Verschiedene Abstufungen der Dienstpflicht sind zu unterscheiden; sie 
zerfällt in die aktive und Reservedienstpflicht im stehenden Heere, in 
die Landwehr= und Ersatzreservepflicht. 
Die aktive Dienstpflicht bedeutet die Verpflichtung zur militärischen 
Dienstleistung im stehenden Heere, ihre Dauer ist sieben Jahre, jedoch mit 
der Maßgabe, daß von diesem Zeitraum die Mannschaften der Kavallerie 
  
  
 
	        
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