Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

§ 115. Die Börsengesetzgebung des Reichs (Depotgesetz). 355 
ist unter Genehmigung der Landesregierung eine Börsenordnung zu 
erlassen (S 4), welche Bestimmungen treffen muß über die Börsen- 
leitung und ihre Organe, über die Geschäftszweige, für welche die 
Börseneinrichtungen bestimmt sind, über die Voraussetzungen der Zu- 
lassung zum Besuche der Börse und darüber, in welcher Weise die 
Preise und Kurse zu notieren sind (§ 5). 
Zur Aufrechterhaltung der Disziplin an den Börsen ist den mit der 
Börsenleitung betrauten Personen, Börsenvorständen, die Befugnis 
beigelegt, Störungen der äußeren Ordnung und des Geschäftsverkehrs 
durch sofortiges Einschreiten zu beseitigen und außerdem mit zeitweiser 
Ausschließung vom Börsenbesuche oder mit Geldstrafe zu ahnden (§ 8). 
Behufs Einschreitens gegen schwerere Verfehlungen der Börsenbesucher 
dient ein Ehrengericht, welches an jeder Börse gebildet wird (8 9). 
Dieses hat Börsenbesucher, welche im Zusammenhange mit ihrer 
Tätigkeit an der Börse sich eine mit der Ehre oder dem Anspruch 
auf kaufmännisches Vertrauen nicht zu vereinbarende Handlung haben 
zuschulden kommen lassen, zur Verantwortung zu ziehen (§ 10). 
Die Strafen bestehen in Verweis, sowie in zeitweiliger oder dauernder 
Ausschließung von der Börse (§ 15 Abs. 1). 
Da die Hauptbedeutung der Börsen in der Preisbestimmung der 
marktgängigen Waren besteht, sucht das Gesetz eine möglichst richtige 
und zuverlässige Bewertung der börsengängigen Waren dadurch zu 
erreichen, daß es eine unter amtlicher Kontrolle erfolgende Feststellung 
des Börsenpreises vorschreibt (§ 29). Als Börsenpreis ist derjenige 
Preis festzusetzen, welcher der wirklichen Geschäftslage an der Börse 
entspricht. 
Im allgemeinen überläßt es das Gesetz den Börsenordnungen, in 
welchem Umfange eine amtliche Feststellung des Börsenpreises bei Waren 
oder Wertpapieren zu erfolgen hat (§ 29), jedoch kann der Bundes- 
rat im Interesse der Allgemeinheit oder besonders beteiligter Erwerbs- 
zweige eine amtliche Feststellung des Börsenpreises bestimmter Waren 
allgemein oder für einzelne Börsen vorschreiben (§ 35). Die amtliche 
Feststellung erfolgt durch den Börsenvorstand, dem zur Beschaffung des 
erforderlichen Materials als Hilfspersonen die Kursmakler zur Seite 
stehen (8 30). 
Um einen größeren Schutz gegen die Einführung unsicherer Werte 
zu schaffen und dadurch das Publikum vor schweren Vermögensverlusten 
zu bewahren, besonders bei ausländischen Wertpapieren, überträgt das 
Gesetz in § 36 die Entscheidung über die Zukassung von Wertpapieren 
zum Börsenhandel einer an jeder Börse zu bildenden Kommission, der 
Zulassungsstelle, von deren Mitgliedern mindestens die Hälfte aus 
Personen bestehen muß, welche nicht ins Börsenregister für Wert- 
papiere eingetragen sind. Nicht zuzulassen sind Emissionen, durch welche 
erhebliche allgemeine Interessen geschädigt werden, oder welche 
offenbar zu einer Übervorteilung des Publikums führen (8 36 Abs. 3 ). 
Im übrigen erstreckt sich die Aufgabe der Zulassungsstelle im wesent- 
lichen auf die formelle Prüfung der Unterlagen des einzuführenden 
Wertes und auf die Sorge dafür, daß in dem nach § 38 vor der 
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