§ 125. Die Presse (das Reichspreßgesetz). 377
1. Allgmeine Grundsätze.
Grundsätzlich geht die Reichsgesetzgebung von dem Grundsatz der
bereits in der preuß. Verfassungsurkunde (Art. 27, 28) ausgesprochenen
Preßfreiheit aus, d. h. in der freien Meinungsäußerung in Wort,
Schrift, Druck und bildlicher Darstellung.
Das Anwendungsgebiet des Reichspreßrechts erstreckt sich „auf alle
Erzeugnisse der Buchdruckerpresse, sowie auf alle anderen durch mecha-
nische oder chemische Mittel bewirkten, zur Verbreitung bestimmten
Vervielfältigungen von Schriften und bildlichen Darstellungen mit oder
ohne Schrift und von Musikalien mit Text oder Erläuterungen“ (8 2
Abs. 1). Auch Photographien fallen unter das Gesetz (R. in Strafs.
Bd. 4 S. 362).
Als Verbreitung einer Druckschrift gilt nach § 3 auch Anschlagen,
Ausstellen oder Auslegen an Orten, wo sie der Kenntnisnahme des
Publikums zugänglich ist, insbesondere also in einem Schaufenster.
Eine Entziehung der Befugnis zum selbständigen Betriebe irgend
eines Preßgewerbes oder sonst zur Herausgabe oder zum Vertriebe
von Druckschriften kann weder im administrativen noch richterlichen
Wege stattfinden. Im übrigen sind für den Betrieb die Bestimmungen
der GO. maßgebend (§ 4). Derartige Vorschriften enthält die GO.
in folgenden 88:
à) §§ 14, 15, 148 bestimmen, daß Buch= und Steindrucker, Buch-
und Kunsthändler, Antiquare, Leihbibliothekare, Inhaber von Lese-
kabinetten, Verkäufer von Druckschriften, Zeitungen und Bildern bei
Eröffnung ihres Gewerbebetriebes das Lokal desselben sowie jeden
späteren Wechsel des letzteren spätestens am Tage seines Eintritts der
Ortspolizeibehörde anzugeben haben, widrigenfalls die Fortsetzung des
Gewerbebetriebes polizeilich verhindert werden kann, außerdem kann
Geldstrafe bis zu 150 M., im Unvermögensfalle Haft bis vier Wochen
verhängt werden.
b) Ausnahmsweise ist ortspolizeiliche Erlaubnis erforderlich zum
gewerbsmäßigen Verkaufen, Verteilen und Anschlagen von Druck-
schriften; ferner zu unentgeltlichem öffentlichen Verteilen und Anschlagen
von Aufrufen und Bekanntmachungen, wovon jedoch die Verteilung
von Stimmzetteln und Druckschriften während der Zeit der Reichs-
und Landtagswahlen und die gewerbsmäßige Verteilung von Druck-
schriften in geschlossenen Räumen ausgenommen sind (GO. § 43,
RPreßG. 88 6, 30).
c) Besondere Beschränkungen sind im öffentlichen Interesse für den
Kolportagebuchhandel getroffen (88 56, 63, 149 GO. Art. 12 des
Ges. vom 6. August 1896 RGl. S. 685).
Über den Gerichtsstand bei Preßdelikten bestimmt jetzt nach
dem RG. vom 13. Juni 1902 (RGBl. S. 227) §7 Abs. 2 St PO.,
daß bei inländischen Druckschriften, welche in ihrem Inhalt eine straf-
bare Handlung enthalten, nur dasjenige Gericht zuständig ist, in dessen
Bezirke die Druckschrift erschienen ist. Jedoch ist in den Fällen der
Beleidigung, sofern die Verfolgung im Wege der Privatklage statt-
findet, auch das Gericht, in dessen Bezirk die Druckschrift verbreitet