46 2. Buch. 1. Abschnitt. Geschichte des Deutschen Staatsrechts.
stimmiger Genehmigung (WS. A. 6, 12, 13) der derzeitigen Glieder
erfolgen. Ein Austritt aus dem Bunde ist nur mit Zustimmung der
Bundesversammlung statthaft (WS. A. 5).
Die Bundesgewalt ruht bei den Regierungen der Einzelstaaten;
es gelten also die Fürsten (und Senate) als Träger der Bundesgewalt,
jedoch nur mit ihren Staaten, nicht also der Fürst ohne seinen Staat;
ferner nur mit dem Gebiete, das dem Deutschen Reiche angehört.
Bundesorgan ist der Bundestag oder die Bundesversamm-
lung, ein ständiger Gesandtenkongreß. Ob dem Bundestag die un-
mittelbare gesetzgebende Gewalt, wie dem Reichstage des jetzigen
Deutschen Reiches zusteht, ist streitig.
Manchet) sprechen ihm eine Bundesgewalt zu, die sich in Mehrheits-
beschlüssen der Bundesversammlung äußern kann, die herrschende
Meinung?) nimmt an, daß der Deutsche Bund nur im Wege des
Vertrages Beschlüsse fassen könne, daß es Gesetze des Deutschen
Bundes nicht gebe. Hierfür spricht auch, daß die auf Bundesbeschlüssen
beruhende Wechselordnung und das Handelsgesetzbuch bis zum Gesetze
vom 5. Juni 1869 nur als Landesgesetze in Geltung standen.
In der Bundesversammlung führt den ständigen Vorsitz Osterreich,
sog. Präsidialgesandter. Ort der Tagung ist Frankfurt a. M. Die
Bundesversammlung fungiert auch als Austrägalinstanz für Staaten-
streitigkeiten.
Die Bundesversammlung tagt entweder als Plenum oder als
Engerer Rat. Jede Bundesangelegenheit beschäftigt zunächst den Engeren
Rat als beratende Versammlung. Dem Engeren Rat liegt überhaupt
die Erledigung der laufenden Geschäfte ob. Die Beschlußfassung er-
folgt entweder im Engeren Rat oder im Plenum.
Zur Kompetenz des Plenum gehören Beschlüsse über die Veränderung
der Bundesgrundgesetze, Aufnahme neuer Mitglieder, Errichtung
organischer Einrichtungen, Erklärung von Krieg und Frieden (DB#. 6, 7).
Da der Engere Rat als Beratungsinstanz mit jeder Angelegenheit
zuerst befaßt wird, beschließt er auch in Zweifelsfällen, ob eine Ent-
scheidung vom Plenum oder vom Engeren Rat zu treffen ist. «
Stimmführung und Abstimmungsmodus ist in beiden Versammlungen
verschieden. Im Plenum hat jeder Staat wenigstens eine Stimme,
während im Engeren Rat die kleineren Staaten zu Kurien vereinigt
sind und — zusammen als Kurie — abstimmen.
Insbesondere haben im Plenum: das Kaiserreich und die 5 König-
reiche (Osterreich, Preußen, Sachsen, Bayern, Württemberg, Hannover)
je 4 Stimmen, ferner 5 Staaten (Baden, die beiden Hessen, Holstein
nebst Lauenburg, Luxemburg nebst Limburg) je 3 Stimmen, ferner
3 Staaten (Mecklenburg-Schwerin, Braunschweig, Nassau) je 2 Stimmen,
alle übrigen Staaten je 1 Stimme. Insgesamt sind anfangs 69, am
1) So Brie a. a. O. S. 86, G. Meyer, Lehrbuch des deutsch. Staatsr. 5. Aufl.
Leipz. 1899 S. 103. Le Fur und Posener, Bundesstaat u. Staatenbund. Bresl.
1902. I S. 106. «
’)SoLaband,DasStaatsrechtdesDeutsch.Reichs.4.Aufl.Tübingenu.
Leipzig. Bd. 1 S. 8.