Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

54 2. Buch. 1. Abschnitt. Geschichte des Deutschen Staatsrechts. 
Geltung haben kann und nicht imstande ist, darüber hinaus ein neues 
Staatsgebilde ins Leben zu rufen. 
3. Georg Meyer (Lehrb. des deutsch. Staatsr. S. 163), H. Schulze 
1. c. und Brie (Theorie a. a. O. S. 130) führen die Verbindlichkeit 
der Verfassung auf einen völkerrechtlichen Vertrag, welcher in den 
Augustverträgen enthalten sei, zurück. Hiergegen hat man eingewendet, 
daß folgerichtig dieser Vertrag durch einen neuen Vertrag wieder auf- 
gehoben werden könne, was von der herrschenden Meinung mit Recht 
als unzulässig bezeichnet wird. · 
4.Haenel(Staatsr.Bd.1S.23ff.)hältdieVerfassungfürein 
Bundesgesetz, welches unmittelbare Wirkung für die Einzelstaaten gehabt 
habe. Jedoch fehlte es im Momente der Entstehung des Bundes an 
der Staatsgewalt, welche eine solche Verfassung erlassen konnte. 
b. Binding (Die Gründung des Norddeutsch. Bundes. Leipz. 1889 
S. 71) hält den ersten Reichstag nicht für eine beratende, sondern für 
eine verfassungsvereinbarende (konstituierende) Versammlung; daher sei 
die Bundesverfassung ein gemeinrechtliches Gesetz. 
6. Jellinek (Lehre von den Staatenverbindungen. Wien 1882. 
S. 266, 262ff.), Mejer, Bornhak, Zorn bezeichnen die Gründung des 
Staatenbundes als einen juristisch nicht konstruierbaren, tatsächlichen 
Vorgang. 
Unter allen den vorstehenden Ansichten verdient die Labandsche 
Theorie den Vorzug, weil sie der Entstehungsgeschichte des Bundes 
am ehesten gerecht wird. 
Der neubegründete Norddeutsche Bund sollte bald seine Feuerprobe 
bestehen. Bereits im Jahre 1867 drohte es zum Kriege mit Frank- 
reich zu kommen, als Napoleon III. Ansprüche auf das außerdeutsche 
Luxemburg erhob, wo Preußen eine Garnison hatte. Napoleon III. 
war nämlich in Unterhandlungen eingetreten mit dem Könige der 
Niederlande wegen Abtretung des Großherzogtums Luxemburg an 
Frankreich gegen eine Geldentschädigung und verlangte, daß die früher 
zum Deutschen Bunde, nicht aber zu dem neuen Norddeutschen Bunde 
gehörende Festung Luxemburg von der preußischen Besatzung geräumt 
werde. Es findet ein Ausgleich durch Beschluß einer Konferenz der 
Großmächte zu London statt, nach dem 1. die Neutralität des Groß- 
herzogtums von den Großmächten gemeinsam gewährleistet wird, und 
2. die preußische Besatzung Luxemburg räumt, dessen Festungswerke 
geschleift werden. 
1868 tritt das deutsche Zollparlament zusammen. Abgeordnete aus 
den süddeutschen Staaten erscheinen in dem Norddeutschen Reichstag, 
um die in den Friedensschlüssen von 1866 nicht ausgesprochene Wieder- 
herstellung des Zollvereins durchzuführen. ' 
§28.DieGründungdeöDeutfcheuReichs.1) 
Infolge der Kandidatur des Erbprinzen Leopold von Hohenzollern 
auf den spanischen Thron nimmt Napoleon III. Veranlassung, bei 
1) Laband, Staatsr. Bd. 1 S. 34 ff. Zorn § 2. G. Meyer § 19. Hoaenel, 
Staatsrecht Bd. 1 S. 46 ff. Arndt § 1 und Komm. S. 28. Zur Reichsgründung: 
 
	        
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