§ 34. Begriff der Reichs= und Staatsangehörigkeit. 65
Die Schutzgebiete gelten als Inland hinsichtlich des Verbotes der
Doppelbesteuerung und des Verlustes der Reichs-(Staats)angehörigkeit
infolge ununterbrochenen zehnjährigen Aufenthaltes im Auslande.
Drittes Kapitel.
Das Reichsvolk (Bundesvolk).
8 34. a) Begriff der Reichs= und Staatsangehörigkeit.
Deutschland heißt das Bundesgebiet im geographischen Sinne. Jeder
Deutsche, der einem Einzelstaate angehört, hat demnach eine doppelte!
Staatsangehörigkeit: die des Bundesstaates und die seines Einzel-
staates. Die Reichsangehörigkeit ist aber ipso iure Folge der primären
Staatsangehörigkeit, es bedarf keines besonderen Erwerbsaktes. Dies
geht aus § 1 des RGes. über die Erwerbung und den Verlust der
Bundes= und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (RBl. S. 355)
hervor, wo ausdrücklich gesagt ist:
Die Reichsangehörigkeit wird durch die Staatsangehörigkeit in
einem Bundesstaate erworben und erlischt mit deren Verlust.
Verschieden von der Reichsangehörigkeit ist das im Art. 3 der N.
erwähnte gemeinsame Indigenat. Während die Reichsangehörigkeit
die Beziehungen zwischen Reichsgewalt und Staatsangehörigkeit regelt,
sucht letztere die Beziehungen der Angehörigen der verschiedenen Bundes-
staaten zueinander näher zu bestimmen.
Art. 3 will nur feststellen, daß die Angehörigen eines Bundesstaates
in einem anderen Bundesstaate (bezüglich des Wohnsitzerwerbes, Gewerbe-
betriebes, Erlangung von öffentlichen Amtern, Erwerbung von Grund-
stücken, des Staatsbürgerrechtes, Rechtsverfolgung und Rechtsschutz und
sonstiger bürgerlicher Rechte) nicht schlechter als dessen Untertanen ge-
stellt werden dürfen, sondern dieselben Rechte, wie diese genießen müssen.
Das Prinzip der mittelbaren Reichsangehörigkeit ist durchbrochen
durch § 6 des Gesetzes betr. die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutz-
gebiete vom 15. März 1888. Danach kann Ausländern, welche in den
Schutzgebieten sich niederlassen, sowie Eingeborenen durch Naturalisation
die (abstrakte) Reichsangehörigkeit!) von dem Reichskanzler verliehen
werden, und zwar mit der gleichen Folge von Rechten und Pflichten,
wie solche die durch Staatsangehörigkeit bedingte Reichsangehörigkeit
gewährt. Wenn auch die Reichsangehörigkeit überall die gleiche ist,
so ergibt sich doch bezüglich der Staatsangehörigkeit eine große Ver-
schiedenheit. Dies geht auch aus der in Art. 3 NV. gegebenen Auf-
zählung hervor. Die Behandlung der Reichsangehörigen in einem
Einzelstaate, dem sie nicht angehören, ist nicht die gleiche, wie sie die
dortigen Staatsangehörigen genießen: Die staatsbürgerlichen Rechte des
Einzelstaats gebühren ihnen nicht, z. B. nicht die Rechte des Preußen.
Vgl. Arndt S. 82 Anm. 2. Wer z. B. in Preußen die erste juristische
1) Ebenso die Motive u. Stengel „Die deutschen Schutzgebiete“. 1895.
S. 135 ff. A. M. Seydel („M.“ Nr. 586 v. 21. Dezember 1888), der eine be-
sondere Landesangehörigkeit der Schutzgebiete annimmt. «
Altmann, Hanbbuch der Verfassung 1. 5