Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

66 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
Staatsprüfung bestanden hat, hat damit noch kein Recht auf Anstellung 
in Bayern erlangt. 
8 35. b) Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit. 
(Ges. v. 1. Juni 1870 (B. G. Bl. S. 3351.) 7) 
Vorbemerkung. Dem Reichsges. vom 1. Juni 1870 liegt das 
sog. Abstammungsprinzip zugrunde. Eheliche Kinder eines Deutschen 
erwerben die Staatsangehörigkeit des Vaters, uneheliche Kinder eines 
Deutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter. Die Staatsangehörig- 
keit vererbt sich dadurch von Generation zu Generation. 
A. Erworben wird die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate: 
1. unmittelbar durch familienrechtliche Verhältnisse: 
a) Abstammung (nicht Adoption), selbst wenn die Geburt im Auslande 
erfolgt. Eheliche Kinder folgen der Staatsangehörigkeit des Vaters, 
außereheliche derjenigen der Mutter (88 2, 3). 
b) Legitimation, wenn der Vater des außerehelichen Kindes ein 
Deutscher ist, und die Mutter nicht die Staatsangehörigkeit des Vaters 
besitzt (8§ 2, 4). 
c) Verheiratung mit einem Deutschen (§8 2, 5). 
2. mittelbar durch Verleihung durch eine von der höheren 
Verwaltungsbehörde d. h. dem Regierungspräsidenten (S 155 Zu- 
ständigkeitsges. vom 1. Aug. 1883, jedoch bis auf weiteres mit Zustimmung 
des Ministers des Innern ME. 3. 2. 95 und 17. 2. 96) ausgestellte 
Urkunde. Letztere erlangt jedoch erst Wirksamkeit mit der Aushändigung, 
also dann nicht, wenn der Aufzunehmende vorher stirbt (8 10). 
Die Verleihung, welche sich zugleich auf die Ehefrau und die unter 
väterlicher Gewalt stehenden minderjährigen Kinder erstreckt (8 11), 
kann bewirkt werden: 
a) durch Aufnahme eines Deutschen (§§ 2, 7), welche dem 
Nachsuchenden grundsätzlich erteilt werden muß. Versagt kann sie werden 
a) bei unselbständigen Personen im Falle mangelnder Genehmigung 
des Gewalthabers (Vaters, Vormundes, Pflegers), 
1) Das Gesetz über die Erwerbung und den Verlust der Bundes= und Staats- 
angehörigkeit vom 1. Juni 1870, erlassen auf Grund des Art. 4 Nr. 1 der Reichs- 
verfassung, ist mit dem 1. Januar 1871 für sämtliche deutschen Bundesstaaten 
mit Ausnahme von Bayern und Elsaß-Lothringen in Kraft getreten (vgl. § 27; 
Art. 80 Nr. 24 der Verfassung des Deutschen Bundes vom 15. November 1870, 
BEBl. S. 648; Art. 1 des Vertrages mit Württemberg v. 25. November 1870, 
BGB. S. 654). Durch Gesetz vom 22. April 1871 betreffend die Einführung 
norddeutscher Bundesgesetze in Bayern (BEBl. S. 87) ist es in Bayern, durch 
Gesetz v. 8. Januar 1873 (NGBl. S 51) in Elsaß-Lothringen und durch V. 
v. 22. März 1891 (RG#Bl. S. 21) in Helgoland eingeführt worden. Wo in dem 
Gesetz von dem Norddeutschen Bunde, dessen Verfassung, Gebiet, Angehörigen 2c. 
die Rede ist, sind das Deutsche Reich und dessen entsprechende Beziehungen zu ver- 
stehen (Ges. v. 16. April 1871, betr. die Verf. des Deutsch K. ReBl. S. 63, § 2). 
Die Bestimmungen in § 1 Abs. 2, 5 8 Abs. 3 und § 16 sind in Wegfall ge- 
kommen (§ 9 des RG. v. 22. April 1871). Durch Art. 41 Ec#. z. BGB. sind 8§§ 11, 
19 und 21 abgeändert, und ist § 14 a neu hinzugefügt worden. Zur Literatur: 
Cahn, Das Reichsgesetz über die Erwerbung und den Verlust der Reichs= und Staats- 
angehörigkeit. 2. Aufl. Berlin 1896; Brauchitsch, Die neuen preuß. Staatsverwaltungs- 
ges. Bd. 4 (14. Aufl.) S. 579 ff. und die dort S. 579 angeführte sonstige Literatur.
	        
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