§ 37. Die Freizügigkeit im Deutschen Reich. 71
Nur die Reichsangehörigkeit hat er auf Verlangen nachzuweisen.
Eine Beschränkung der Freizügigkeit enthält § 3 des Gesetzes.1)
Insoweit bestrafte Personen nach den Landesgesetzen Aufenthalts-
beschränkungen durch die Polizeibehörde unterworfen werden können,
behält es dabei sein Bewenden (Vgl. O. E. 9 S. 415, 10 S. 336).
Solchen Personen, welche derartigen Aufenthaltsbeschränkungen in einem
Bundesstaate unterliegen, oder welche in einem Bundesstaate innerhalb
der letzten zwölf Monate wegen wiederholten Bettelns oder wegen wieder-
holter Landstreicherei bestraft worden sind, kann der Aufenthalt in jedem
anderen Bundesstaate von der Landespolizeibehörde verweigert werden.
In Preußen ist die Frage, aus welchen Gründen die Gemeinde die
Aufnahme neu anziehender Personen verweigern oder die Fortsetzung
des Aufenthaltes einem Angezogenen verbieten kann, durch besonderes
Gesetz (Ges. vom 31. Dez. 1842 GS. 1843 S. 5) geregelt. Die Be-
fugnis zur Abweisung eines neu Anziehenden besteht nur dann, wenn
die Gemeinde nachweisen kann, daß der Anziehende nicht hinreichende
Kräfte besitzt, um sich und seinen nicht arbeitsfähigen Angehörigen den
notdürftigen Lebensunterhalt zu verschaffen, und wenn er solchen weder
aus eigenem Vermögen bestreiten kann, noch von einem dazu ver-
pflichteten Verwandten erhält.
Die Versagung der Fortsetzung des Aufenthaltes ist davon abhängig, daß
der neu Anziehende an dem Aufenthaltsorte einen Unterstützungswohnsitz
(Heimatsrecht) noch nicht erworben hat, und der Nachweis erbracht ist,
daß die Unterstützung aus anderen Gründen als wegen einer nur
vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit notwendig geworden ist.
Die Anordnung der Abweisung bezw. des Verbotes steht dem
Gemeindevorstande zu (MR. vom 10. Januar 1890 MhBl. S. 35).
Nach OVG. E. Bd. 7 S. 364 (v. Kamptz IV. 1038) „st das den
Staatsangehörigen zustehende Recht des Aufenthaltes nicht lediglich
Gegenstand der Erwägung und Entschließung der als Armenverbände
beteiligten Gemeinden, in welchem Falle allerdings die Kommunal=
aufsichtsbehörden in letzter Instanz zu entscheiden haben würden; es
ist vielmehr davon auszugehen, daß die Entscheidung über die Aus-
übung jenes Rechts der Polizeibehörde als Staatsbehörde zusteht.
Hieraus ergibt sich, daß gegen eine polizeiliche Verfügung, durch welche
ein der öffentlichen Armenpflege Anheimgefallener auf Verlangen der
Gemeindebehörde aus seinem Aufenthaltsorte ausgewiesen wird, dem
davon Betroffenen die Rechtsmittel aus LVG. §#§ 127 ff. zustehen,
und daß die Ausweisungsverfügung, auch insoweit, als es sich um die
Berechtigung zur Versagung der Fortsetzung des Aufenthaltes handelt,
im Verwaltungsstreitverfahren nachgeprüft werden muß.“ Leistet der
von dem Beschlusse der Ausweisung Betroffene diesem keine Folge, so
hat der Magistrat die Polizeibehörde um tatsächliche Ausführung des.
1) Andere durch Reichsgesetz geschaffene Einschränkungen haben nur vorüber-
gehende Geltung gehabt, so das Expatriierungsges. (Ges. v. 4. Mai 1874 Rl.
S. 43), aufgehoben durch Ges. v. 6. Mai 1890 RBl. S. 65, gegen inländische
Angehörige des Ordens Jesu nach Nes. v. 4. Juli 1872 (RGBl. S. 253). 8 2,
aufgehoben durch Ges. v. 8. März 1904 (REGBl. S. 139).