Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

78 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
Kassel und Wiesbaden, die Hohenzollernschen Lande und der Kreis 
Herzogtum Lauenburg, für sich einen Landarmenverband. Eine ab- 
weichende Organisation besteht in der Provinz Ostpreußen, wo jeder 
Stadt= und Landkreis hinsichtlich der öffentlichen Unterstützung der 
Landarmen und der an nicht ausreichend leistungsfähige Ortsarmen- 
verbände zu gewährenden Beihilfen einen besonderen Landarmenverband 
bildet. Ebenso bilden die Städte Berlin, Breslau und Königsberg 
in Pr. jede für sich einen Landarmenverband. In Baden, Hessen, 
Sachsen-Meiningen und Waldeck bildet jeder Kreis, in Mecklenburg- 
Strelitz der Kreis Stargard resp. das Fürstentum Ratzeburg, in Olden- 
burg jeder Amtsverband, in Württemberg jeder Oberamtsbezirk, in 
Sachsen-Koburg-Gotha jedes der beiden Herzogtümer einen Landarmen- 
verband. Die übrigen Staaten haben die Funktionen des Landarmen- 
verbandes unmittelbar übernommen. Für die sonstigen Obliegenheiten 
der Landarmenverbände hat dagegen der Provinzialverband einzutreten 
und daher insbesondere a) die Kosten, welche die Fürsorge für Geistes- 
kranke, Idioten, Taubstumme, Sieche und Blinde verursacht, unmittelbar 
zu übernehmen; b) in die von ihm unterhaltenen Armenhäuser, soweit 
es der Raum gestattet, die der Fürsorge der Ortsarmenverbände gesetzlich 
anheimfallenden Personen auf Antrag dieser Verbände gegen Ent- 
schädigung zu übernehmen; c) die in seinem Bezirke festgenommenen 
auf Grund des § 361 Nr. 3—8 StGB. verurteilten und nach ver- 
büßter Strafe der Landespolizeibehörde überwiesenen Personen (Land- 
streicher 2c.) auf Beschluß dieser Behörde in einem Arbeitshause unter- 
zubringen. 
2. Gesamtarmenverbände. — Einen einheitlichen Ortsarmen- 
verband bildende Verbände von Gemeinden oder Gutsbezirken haben 
schon früher bestanden. Die neuere Gesetzgebung sichert ihren Fort- 
bestand. (Ges. vom 8. 3. 71 8§ 9, 10.) Die für die Verwaltung der 
Angelegenheiten dieser Verbände maßgebenden statutarischen Vorschriften 
können durch verfassungsmäßigen, von dem Bezirksausschuß bestätigten 
Beschluß des betreffenden Verbandes vereinbart oder abgeändert werden. 
Kommt ein entsprechender Beschluß nicht zustande, so wird die 
Verfassung des Gesamtarmenverbandes durch ein nach Anhörung der 
Beteiligten von dem Kreisausschuß (86. 540) aufzustellendes, von 
dem Bezirksausschusse zu bestätigendes Statut geregelt. Für den 
Gesamtarmenverband ist eine besondere aus Abgeordneten der Ge- 
meinden und Gutsbezirke bestehende Vertretung zu bilden. Die Zahl 
der von den Gemeinden und Gutsbezirken zu entsendenden Abge- 
ordneten, sowie geeignetenfalls die Zahl der dem Abgeordneten eines 
Gutsbezirks einzuräumenden Stimmen bestimmt sich nach den zu der 
gemeinsamen Armenpflege zu leistenden Beiträgen, jedoch soll jede 
Gemeinde und jeder Gutsbezirk mindestens ein en Abgeordneten ent- 
senden. Die Abgeordneten der Gemeinden, zu denen in allen Fällen 
der Vorsteher der betreffenden Gemeinde gehören muß, werden auf 
drei bis sechs Jahre von der Gemeindevertretung gewählt. Die Ver- 
tretung des Gesamtarmenverbandes wählt einen Vorsitzenden und 
dessen Stellvertreter in der Regel aus ihrer Mitte. Dem Vorsitzenden
	        
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