Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 34. Das Verwaltungsstreitverfahren. 129 
so kann auf deren Antrag der Regierungspräsident für die mündliche 
Verhandlung vor dem Bezirksausschusse, und der Ressortminister für 
die mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht einen 
Kommissar zur Vertretung der Behörde bestellen. Eine derartige 
Bestellung des Kommissars für die mündliche Verhandlung kann auch 
ohne Antrag erfolgen; der Kommissar ist alsdann vor Erlaß des 
Endurteils mit seinen Ausführungen und Anträgen zu hören, zur 
Einlegung von Rechtsmitteln aber nicht befugt (LVG. § 74). Die 
Beweiserhebungen erfolgen von Amts wegen durch das Gericht, 
welches befugt ist, geeignetenfalls schon vor Anberaumung der mündlichen 
Verhandlung Untersuchungen an Ort und Stelle zu veranlassen, Zeugen 
und Sachverständige zu laden und eidlich zu vernehmen, überhaupt den 
angetretenen oder nach dem Ermessen des Gerichts erforderlichen Beweis 
in vollem Umfange zu erheben (LVG. § 76). Zu den Beweisverhand- 
lungen, mit denen auch ein Mitglied des Gerichts oder eine sonstige 
Behörde durch Ersuchen betraut werden kann, sind die Parteien zu 
laden (LVG. § 77). Die freie richterliche Beweiswürdigung wird im 
§ 79 LV. auch für das Verwaltungsstreitverfahren für maßgebend 
erklärt mit den Worten: Das Gericht hat nach seiner freien, aus dem 
ganzen Inbegriff der Verhandlungen und Beweise geschöpften Über- 
zeugung zu entscheiden. Bei Ausbleiben der betreffenden Partei oder 
in Ermangelung einer Erklärung derselben können die von der Gegen- 
partei vorgebrachten Tatsachen für zugestanden erachtet werden. Partei- 
eide kennt das Verwaltungsstreitverfahren nicht. Die Entscheidung 
kann ohne vorgängige Anberaumung einer mündlichen Verhandlung 
erlassen werden, wenn beide Teile auf eine solche ausdrücklich ver- 
zichtet haben (LVG. 8§ 80). Die Verkündigung der Entscheidung 
erfolgt der Regel nach in öffentlicher Sitzung des Gerichts (LVG. 8 81). 
Was die weiteren Instanzen anlangt (LVG. 8§§ 82 ff.), so steht 
gegen die Entscheidungen und Bescheide des Kreisausschusses die 
Berufung an den Bezirksausschuß und gegen die erstinstanzlichen des 
Bezirksausschusses die Berufung an das Oberverwaltungsgericht zu, 
soweit nicht eine besondere gesetzliche Regelung, wie z. B. in Armen- 
angelegenheiten, erfolgt ist. Die Berufung ist binnen zwei Wochen 
bei Verlust des Rechtsmittels bei dem Gerichte, gegen dessen Ent- 
scheidung dieselbe gerichtet ist, schriftlich anzumelden und zu rechtfertigen. 
Ist die Anmeldung rechtzeitig erfolgt, so wird die Berufungsschrift 
mit ihren Anlagen der Gegenpartei zur schriftlichen Gegenerklärung 
innerhalb einer bestimmten, von einer bis zu vier Wochen zu bemessenden 
Frist zugefertigt. Zur Rechtfertigung der Berufung, sowie zur Gegen- 
erklärung kann in nicht schleunigen Sachen eine angemessene, der 
Negel nach nicht über zwei Wochen zu erstreckende Nachfrist gewährt 
werden. Ist die Frist versäumt, so ist die Berufung ohne weiteres 
durch einen mit Gründen versehenen Bescheid zurückzuweisen. Der Erlaß 
dieses Bescheides steht dem Vorsitzenden des Kreisausschusses bezw. 
des Bezirksausschusses, im letzteren Falle im Einverständnis mit den 
ernannten Mitgliedern zu, wobei zugleich in dem Bescheide dem 
Berufungskläger zu eröffnen ist, daß ihm innerhalb zwei Wochen vom 
Altmann, Handbuch der Versaffung II. 9
	        
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