5 81. Geschichtliches, Begriff und Wesen der Familienfideikommisse. 323
Zwei Gedanken beherrschten die Einrichtung der Familienfideikommisse:
einmal durch besondere Verfügung das Familienfideikommiß zum
unveräußerlichen Familienbesitz zu machen, und sodann die Nachfolge
in dasselbe unmittelbar auf die Verfügung bei der Stiftung — ex
pacto et providentia maiorum — zurückzuführen.
Unter der französischen Herrschaft und im Jahre 1848 waren in Preußen
durch Art. 38 der Vll. vom 5. Dezember 1848 Familienfideikommisse auf
kurze Zeit verboten worden. Auch Art. 40 der preußischen Vl. hielt das
Verbot aufrecht und stellte die Umwandlung von bestehenden Familien-
fideikommissen in Aussicht. Das ältere Recht wurde wieder hergestellt
unter Aufhebung des Art. 40 der preußischen Verf. durch das preußische
Gesetz vom 5. Juni 1852 (GS. S. 319). Durch die gleichzeitig
angeordnete Auflösung des Lehnsverbandes und die Gestattung der
Umwandlung in Familienfideikommisse haben letztere eine erhöhte
Bedeutung gewonnen.
Die landesgesetzlichen Bestimmungen über die Familienfideikommisse
sind durch das BGB. unberührt geblieben (Art. 59 EcG. z. BGB.). 1)
Für Preußen gelten daher noch heute im Gebiete des ALR. die
Vorschriften II 4 §§ 48—226, bezüglich des Verfahrens §§ 2 ff.,
26—32 I 6 der preußischen Allgem. Gerichtsordnung (gemäß § 185
Abs. 2 RFG. G. und Art. 141 Ziff. 1 preußischen FG#.).)
2. Begriff und Wesen der Familienfideikommisse.
Familienfideikommiß ist ein Wertobjekt, welches nach privater
Verfügung des Stifters unveräußerlich und unteilbar in einer bestimmten
Familie nach einer feststehenden Erbfolgeordnung vererblich ist.
Das Wertobjekt wird in den §§ 23 ff. II 4 ALR. näher dahin
bestimmt, daß nur für Grundstücke, mit denen Ackerbau und
Viehzucht verbunden, also nicht für ideelle Grundstücksanteile
und Kapitalien, die Verordnung, daß sie beständig oder für mehrere
Geschlechtsfolgen bei einer Familie verbleiben sollen, getroffen werden
kann, und außerdem daß solch Grundstück (Landgut) wenigstens einen
1) Die Motive zu Art 59 E. bemerken hierzu, daß weder die grundsätzliche
Beseitigung noch eine einheitliche Regelung dieser Rechtsbildung am Platze erscheint,
da sie in dem weitaus größeren Teile Deutschlands dem geltenden Rechte angehören,
lediglich in der bayer. Rheinpfalz, in Elsaß-Lothringen und in Oldenburg (Ges.
vom 28. März 1853) ausgeschlossen sind, während in Baden den Zwecken des
Familienfideikommisses gleichzeitig das eigenartig geordnete Institut des Stammguts
dient (LR. Satz 896, 577 c. a. ff.).
2) Außer dem ALR. gelten in Preußen:
a) In Neuvorpommern und Rügen, Ges. betr. die Familienfideikommisse, vom
12. Juli 1896 (GöS. S. 162).
b) Im ehemal. Herzogtum Westfalen, vgl. Patent vom 21. Juni 1895 (GS.
S. 153), die AKO. vom 27. August 1832 (GS. S. 225).
c) In der Rheinprovinz, die AKO. vom 25. Februar 1826 (GS. S. 19).
Ferner kommen noch in Betracht für das ehemal. Großherz. Berg. Ges. vom 23. März
1828 (GS. S. 38) mit den AKs#O. vom 28. April 1829 (GS. S. 45), vom 29. März
1831 (GS. S. 44), vom 14. Juli 1833 (GS. S. 83); ferner die AO. vom
24. Juli 1832 (GS. S. 201) und das Ges. vom 23. August 1834 (Gs. S. 167);
für die Landesteile, die zum ehemal. Königr. Westfalen gehört haben: V. vom
11. März 1818 (GS. S. 17) und V. vom 9. Juni 1827 (GS. S. 76).
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