Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 6. Die Staatsbürger. 25 
richtlichen Strafverfahrens in den §§ 94—111 der RStr P. geregelt. 
Das Ges. v. 12. Februar 1850 ist nur insofern in Kraft geblieben 
(88 6—10), als außer denr Fällen der Verhaftung und vorläufigen 
Festnahme die Polizeibehörden befugt sind, Personen in polizeiliche 
Verwahrung zu nehmen, sofern deren eigener Schutz oder die öffent- 
liche Sittlichkeit, Sicherheit und Ruhe solches erforderlich machen. Der 
von der Polizeibehörde Festgenommene muß aber spätestens am folgen- 
den Tage freigelassen oder dem ordentlichen Richter vorgeführt werden, 
der das Weitere zu beschließen hat. (Vgl. auch über die fortdauernde 
Geltung der §§ 6— 10 des Ges. v. 12. Februar 1850 RG. Stsf. 
Bd. 31 S. 307.) Das Ges. v. 12. Februar 1850 bezieht sich nicht 
auf polizeiliche Zwangsmaßregeln, wie polizeiliche Exekutivhaft. Un- 
mittelbarer Zwang kann seitens der Polizeibehörden (Regierungs- 
präsident, Landrat, Ortspolizeibehörde, Gemeinde= (Guts-) vorsteher 
Cvorstand) gemäß § 132 LVG. angewendet werden (z. B. bei der 
Zurückführung entlaufenen Gesindes), wenn andere Zwangsmittel nicht 
gegeben oder nach den Umständen des Falls erfolglos sind. Ferner 
hat man auch trotz Art. 5 Vll. aus dem allgemeinen Pflichtenkreis 
der Polizei auf Grund des § 10, II 17 preußisches A#R. das Recht 
der polizeilichen Internierung und Untersuchung von Prostituierten und 
deren Zuhälter, der sogenannten Bertillonschen Messungen und der 
Pbotographierung der in Haft Befindlichen anerkannt. (OVG. E. 
Bd. 1 S. 347, Bd. 6 S. 382, Bd. 16 S. 387, 23 S. 399, 32 
S. 199.) Das O. hat auch in ständiger Rechtsprechung (Urt. v. 
16. März 1881 Bd. 7 S. 370 in v. Kamptz Bd. 4 S. 804) ange- 
nommen, daß die Polizei gesetzlich befugt ist, auf Grund des § 10, II, 
17 preußisches A#R. auf die Lösung von Konkubinaten zu dringen, 
sofern durch dieselben tatsächlich öffentliches Argernis gegeben wird. 
Zur Verhütung der Verbreitung gemeingefährlicher Krankheiten, 
(Cholera, Pocken, Typhus, Lepra u. dgl. m.) kann für Kranke, krank- 
heits= oder ansteckungsverdächtige Personen eine Absonderung (Inter- 
nierung) angeordnet werden (§ 14 des Ges. betr. die Bekämpfung ge- 
meingefährlicher Krankheiten v. 30. Juni 1900 REBl. S. 306). 
Die Anwendung der Art. 5 und 6 ist ausgeschlossen, 
à) wenn sie im Falle des Belagerungszustandes außer Kraft gesetzt 
werden, was nach Art. 111 Vl. bei dringender Gefahr für die öffent- 
liche Sicherheit zulässig ist; 
b) für das Heer (Art. 39 Vl.). 
Art. 5 berührt auch nicht das Recht der Landespolizeibehörden, 
kriminalrechtlich bestraften Personen den Aufenthalt zum Zwecke der 
Niederlassung an bestimmten Orten zu versagen (OVG. U. v. 24. 2. 
1883 Bd. 9 S. 415 in v. Kamptz Bd. 4 S. 1040). 
Durchsuchungen der Wohnungen sind abgesehen von den Fällen der 
St PO. den Gerichtsvollziehern, soweit der Zweck der Vollstreckung dies 
erfordert, gemäß § 758 ZPO. gestattet; endlich in dem Verfahren 
wegen Zuwiderhandlungen gegen die Zoll= und Steuergesetze nach 
Maßgabe der hierfür jetzt gültigen Vorschriften des Ges. vom 26. Juli 
1897 (GS. S. 237).
	        
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